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Entspanntes Liebesleben: Das passiert, wenn Du auf den Orgasmus verzichtest

Entspanntes Liebesleben: Das passiert, wenn Du auf den Orgasmus verzichtest

Entspannter Sex soll zu einem glücklichen Liebesleben führen - LightField Studios/Sutterstock

Wenn das aufregende Liebesleben im Alltagstrott untergeht, ist oft Frust in der Beziehung angesagt. Was helfen könnte, ist „Entspannter Sex“. Ela und Volker Buchwald wollen in ihrem Buch „Das Einfach Liebe Prinzip“ (Lübbe Life) neue Ideen für mehr Liebe im Sex geben. Im Interview erklären sie, wie Sex jenseits von Erwartungsdruck aussehen kann.

Fast jedes dritte Paar leidet einer Studie zufolge unter eingeschlafenem Sexleben. Überrascht Sie das?

Buchwald: Nein, das überrascht uns gar nicht, weil sich diese Entwicklung neurobiologisch gut erklären lässt: Wenn wir uns verlieben, wird unser Organismus von Spannungshormonen überschwemmt, die damit zu tun haben, dass alles neu, aufregend, überraschend und deshalb überwältigend schön ist – Honeymoon eben. Im Laufe der Zeit gewöhnen wir uns aneinander, alles wird irgendwie vorhersehbar, etwas fade. Um immer weiter diese Honeymoon-Gefühle zu erzeugen, brauchen wir immer mehr und neue Reize, z. B. durch Sextoys. So manövrieren wir uns mit der Zeit in eine Spannungsspirale. Und weil die meisten auch im Berufs- und Familienleben stark angespannt sind, geht nicht auch noch ein Sexleben auf höchstem Spannungsniveau – das ist auf Dauer zu viel Stress, der Körper reguliert runter und wir haben einfach keine Lust mehr.

Sie schreiben, dass viele Menschen eine falsche Vorstellung von Sex haben. Woher kommt das und wie sieht diese aus?

Buchwald: Normalerweise denkt jeder, der an Sex denkt, auch an Orgasmus. Sex ohne Orgasmus ist eben gar kein richtiger Sex… Der Grund dafür ist biologisch gut erforscht: keine Zeugung ohne Orgasmus. Sex mit seinem Höhepunkt ist ein subtiles Programm der Natur, unsere Art zu erhalten. Und damit wir nicht vergessen, uns fortzupflanzen, macht Sex eigentlich Spaß – eigentlich ein cleverer Schachzug der Natur. Tatsächlich ist dieses Programm aber sehr archaisch – wie unsere Stressregulation übrigens auch – und hat wenig bis nichts mehr damit zu tun, wie wir heute als Männer und Frauen miteinander leben und umgehen (wollen).

Alles hat sich geändert, wir tun sozusagen nichts mehr so wie die Menschen vor ein paar tausend Jahren – nur der Sex ist gleich geblieben. Diese Form der Sexualität ist tief in unserem Denken, Fühlen, Handeln und der gesamten Kultur einprogrammiert. Kein Wunder, dass immer mehr moderne Menschen damit ein Problem haben, vor allem Frauen, die im Arterhaltungssex als Genießende ja nicht wirklich vorkommen. Das Programm „Fortpflanzen“ braucht Spannung, Hitze und Orgasmen – nur macht das auf Dauer wenig Paare zufrieden – da sind wir mit dem Bindungssex viel näher an dem, was moderne Paare heute miteinander leben wollen.

Wie hilft „Entspannter Sex“ den Partnern dabei, sich wieder näherzukommen?

Buchwald: Der wichtigste Unterschied hat mit der Absichtslosigkeit zu tun. „Entspannter Sex“ hat kein konkretes Ziel außer dem, liebevoll zusammen zu sein und sich zu genießen. Wenn man nicht in erster Linie damit beschäftigt ist, sich und den Partner möglichst einzigartig zum Orgasmus zu bringen, ist die Ausgangslage ganz anders. Im „Entspannten Sex“ gibt es keine Vorgaben, kein festes Muster. Wir können uns ganz auf das einlassen, was wir jetzt gerade in diesem Moment erleben. Außerdem fühlen wir im entspannten Zustand sehr viel feiner und tiefer, wir nehmen jedes Prickeln und Vibrieren, die ganze Weichheit und Süße in ihrer Gesamtheit wahr. Hinzu kommt, dass bei „Entspanntem Sex“ ganz andere Hormone ausgeschüttet werden als beim Orgasmussex, nämlich bindungsfördernde Hormone anstatt Stresshormone. Auf diese Weise entstehen eine Innigkeit und Nähe, die unter hoher Spannung einfach nicht zu erreichen sind.

Dem Orgasmus werden viele positive Qualitäten nachgesagt: Entspannung, Schmerzlinderung, verbesserte Blutzirkulation, …

Buchwald: Ja, stimmt, diese positiven Wirkungen hat der Orgasmus. Leider mit dem ziemlich dicken Nachteil der Kurzfristigkeit. Nach dem Orgasmus ist alles entspannt, aber nur, weil vorher erst einmal eine Riesenspannung aufgebaut wurde. Der Orgasmus ist nichts anderes, als die Entladung einer fast nicht aushaltbaren Spannung. Tatsächlich ist es so, dass die Hormone und Neurotransmitter, die im Orgasmuskontext ausgeschüttet wurden, anschließend abgebaut werden müssen – das äußert sich oft in einer Art Orgasmuskater: Man fühlt sich ein bisschen unzufrieden und irgendwie nicht ganz so, wie es sein sollte.

Hinzu kommt, dass die Reize immer stärker und/oder abwechslungsreicher sein müssen, damit die Spannung für das Auslösen des Orgasmus reicht, was wiederum die Kater-Wahrscheinlichkeit erhöht. Klar, für den Moment scheint die Lust befriedigt zu sein, wir sind entspannt und haben vielleicht auch die nötige Bettschwere – insgesamt bleibt der Organismus aber in einem Dauerspannungszustand, was für die meisten zwar normal, aber für die Partnerschaft nicht unbedingt förderlich ist. Ohne diesen ganzen Spannungsstress können wir alle feinen Empfindungen wahrnehmen, unser Herz öffnen und so ein Gefühl der Verbundenheit erleben, das es unter Hochspannung einfach nicht geben kann. Beim „Entspannten Sex“ können wir viel mehr und viel tiefer spüren und uns die Schmetterlinge im Bauch zurückholen. Diese Intimität trägt ein Paar viel weiter und intensiver, weil sie nachhaltig ist, ganz im Gegensatz zu einem Orgasmus, der schnell verpufft und immer und immer wieder aufgebaut werden muss.

„Nichtstun ist eine Revolution“ im Bett, heißt es in Ihrem Buch. Was raten Sie Paaren, die mit „Entspanntem Sex“ beginnen wollen?

Buchwald: „Entspannter Sex“ braucht Zeit. Und damit anzufangen, ist die unverhandelbare Basis: Räumen Sie der Liebe ihre Zeiten ein! Das geht eigentlich nur, wenn wir uns verabreden und verschieben oder absagen „verboten“ ist. Sich daran zu erinnern, wie schön es am Anfang war, einfach nur zusammen zu sein, zu kuscheln, sich zu umarmen, zu küssen – sehr wichtig, das Küssen -, hilft häufig. Es geht darum, sich nah zu sein, zärtlich, intim, aber eben nicht unter Spannung – das ist zu Beginn häufig ungewohnt, deshalb ist es wichtig, sich darüber auszutauschen, wie es einem damit geht.

Am besten ist es, erst mal mit festen Verabredungen für den Sex und für die Kommunikation darüber anzufangen. Wöchentliche Termine von mindestens ein bis zwei Stunden sollten es dann schon sein. Wir wissen aus eigener Erfahrung (drei Kinder), wie herausfordernd das ist, aber wir wissen auch, dass es geht. Und dann entspannt passieren lassen, was passieren will. Der wichtigste Unterschied liegt darin, nicht das normale Sexprogramm abzuspulen, sondern sich körperlich anzunähern, ohne den Orgasmus im Hinterkopf zu haben. Einfach nah sein, einfach berühren, einfach spüren, alles andere findet sich von selbst. In unserem Buch beschreiben darüber hinaus noch hilfreiche Love-Hacks, die jedes Paar nach ganz eigenem Geschmack anwenden kann.

Wie hat sich Ihre Beziehung dadurch verändert?

Buchwald: Wir sind seit mehr als 25 Jahren ein Paar, haben drei Kinder und immer noch Schmetterlinge im Bauch, wenn wir uns begegnen. Klar lieben wir uns, das ist die Grundlage, aber gerettet hat uns die Entspannung, weil wir aufhören konnten, im Bett immer irgendwas noch Tolleres erreichen zu müssen. Dadurch sind wir auch im Alltag entspannter miteinander – und wenn uns der Stress überrollt, erinnern wir uns schneller daran, was gerade mit uns passiert. Dann halten wir unsere Verabredungen wieder ein, entspannen und genießen mit jedem Atemzug – was dann natürlich unseren Alltag wieder entstresst. Wir sind uns in den vielen Jahren auf jeden Fall immer nähergekommen. Unser Vertrauen ist gewachsen, dass wir auch schwierige Phasen meistern können, wenn wir uns nicht aus den Augen verlieren. Und angefangen hat das alles mit unserer Entscheidung, „Entspannten Sex“ zu leben.

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