Bundesregierung schiebt Missständen in der Fleischindustrie Riegel vor

Bundeskanzleramt in Berlin
Bundeskanzleramt in Berlin

Die Bundesregierung schiebt den Missständen in der Fleischindustrie einen Riegel vor: Das Kabinett billigte am Mittwoch den Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), mit dem der Einsatz von Werkvertrags- und Leiharbeitnehmern in der Fleischindustrie künftig verboten sein soll. Heil sprach nach dem Kabinettsbeschluss von einem „guten Tag für den Arbeitsschutz“. Kleinere Betriebe sollen von der Regelung ausgenommen werden.

Laut Gesetzesentwurf sollen künftig in Unternehmen ab 50 Beschäftigten nur noch direkt dort Angestellte Tiere schlachten und zerlegen dürfen. Der Einsatz von Werkvertragsarbeitern soll ab dem 1. Januar verboten sein, der von Leiharbeitnehmern an dem 1. April 2021. 

Zudem will Heil Mindestanforderungen für die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften auch außerhalb des Geländes eines Unternehmens festschreiben – und zwar nicht allein für die Fleischindustrie, sondern branchenübergreifend. „Niemand soll in verschimmelten oder überbelegten Zimmern leben müssen“, betonte der Minister. 

Um die Einhaltung der Mindestlohns besser überprüfen zu können, sieht das Gesetz eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung in der Fleischindustrie vor. Der entsprechende Rahmen für Bußgelder wird von 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt. Generell soll es künftig in den Betrieben mehr Kontrollen geben. 

Die Fleischindustrie ist in der Corona-Krise in die Kritik geraten, weil zahlreiche Mitarbeiter auf Schlachthöfen positiv getestet wurden, die oft nicht direkt bei den Firmen, sondern bei Subunternehmern angestellt waren. 

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte, mit der Ausnahme für kleinere Betriebe werde das regionale Fleischhandwerk gestärkt. Auch Heil betonte, es gehe um die Zustände in den großen Unternehmen. „Die Fleischerei auf dem Lande ist nicht das Problem.“ Über die Grenze von 49 Beschäftigten „kann man immer diskutieren, auch im parlamentarischen Verfahren“.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) begrüßte die Neuregelung als „historisch“.  Gewerkschaftsvize Freddy Adjan forderte „in einem zweiten Schritt“ bundesweite Tarifverträge, um gute Löhne und Arbeitsbedingungen in der Branche verbindlich zu regeln. 

Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG) dagegen kritisierte den Kabinettsbeschluss scharf und kündigte eine „sorgfältige juristische Prüfung“ an. „Was da beschlossen wurde, darf wirklich nicht wahr sein“, sagte ZDG-Präsident Otto Ripke der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Regierung setze die Fleischproduktion in Deutschland aufs Spiel. 

Der Verbandspräsident rechnet mit steigenden Fleischpreisen. Heil wies diese Befürchtung zurück. Das seien „Ammenmärchen“, es müsse dann eben auch über die Gewinnmargen in der Branche gesprochen werden. 

Die SPD drängte auf ein rasches Verfahren zur Beratung des Gesetzes. „Die SPD-Bundestagsfraktion ist fest entschlossen, den Gesetzentwurf schnell Gesetz werden zu lassen“, erklärte die stellvertretende Fraktionschefin Katja Mast. 

Auch die Linken-Abgeordnete Jutta Krellmann sprach von einem „ersten Schritt“, kritisierte aber die geplante Kontrollquote von fünf Prozent der Betriebe ab 2026. „Fünf Jahre ändert sich nichts, anschließend wird jeder Betrieb nur alle 20 Jahre kontrolliert.“

Die Grünen warnten vor einer Aufweichung des Gesetzentwurfs bei den weiteren Beratungen. Der vorliegende Gesetzentwurf dürfe „auf keinen Fall durch Lobby-Einfluss verwässert werden“, erklärten die Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Friedrich Ostendorff.

Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach hingegen von einem „weiteren Schritt in Richtung staatliche Wirtschaftslenkung“. Die Bundesregierung lenke nur davon ab, „dass der Staat bei der Kontrolle der Fleischbetriebe versagt hat“. 

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