EU-Haushalt: Verteilungskampf um 1,8 Billionen Euro

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Symbolbild: EU

Beim EU-Gipfel ab Freitag verhandeln Europas Staats- und Regierungschefs über ein beispielloses Finanzpaket: Rund 1,8 Billionen Euro schwer sind die Vorschläge für den nächsten Sieben-Jahres-Haushalt der EU und den Aufbaufonds gegen den Wirtschaftsabschwung wegen der Corona-Krise. Viele Punkte sind noch umstritten – und nötig ist eine einstimmige Entscheidung der 27 Mitgliedstaaten. Am Mittwochnachmittag suchen die EU-Europaminister vor dem Gipfel nach Lösungen.

Volumen

Für den nächsten EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 schlägt EU-Ratspräsident Charles Michel als Gipfelorganisator ein Volumen von 1074,3 Milliarden Euro vor. Dies sind 20,5 Milliarden Euro weniger als im laufenden Sieben-Jahres-Budget. Hinzu kommt aber der Corona-Wiederaufbaufonds, dessen Gelder den Haushalt aufstocken. Hier hat Michel den Plan der EU-Kommission in Höhe von 750 Milliarden Euro aufgegriffen. Mehrere Länder halten das laut einem hochrangigen EU-Vertreter aber für zu viel.

Vor allem Zuschüsse bei den Corona-Hilfen

Übernommen hat Michel von der EU-Kommission auch, dass mit 500 der 750 Milliarden Euro der Großteil der Corona-Gelder als Zuschüsse fließen soll, die von den Empfängerländern nicht zurückgezahlt werden müssen. Dagegen stemmen sich bislang die „sparsamen Vier“ aus Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden. Sie wollen vor allem auf die Vergabe von Krediten setzen. 

Vergabekriterien für Corona-Gelder

Viel Kritik gab es an den Vergabekriterien der EU-Kommission für die Corona-Hilfen. Die Behörde will ihre Höhe für die jeweiligen Mitgliedstaaten vor allem auf Grundlage der Arbeitslosenzahlen vor der Krise festlegen. Das wird von einigen Regierungen als Belohnung für schlechtes Wirtschaften gesehen. Michel änderte deshalb den Schlüssel etwas: Bei 70 Prozent der Mittel bleibt es bei dem Kommissionsvorschlag, 30 Prozent sollen aber auf Basis der tatsächlichen Wirtschaftseinbrüche infolge der Corona-Krise vergeben werden.

Bedingungen

Nördliche Länder wie die „sparsamen Vier“ verlangen klare Reformzusagen als Bedingung für Auszahlungen der Corona-Gelder, was südliche EU-Staaten wie Spanien und Italien ablehnen. Michels Vorschlag sieht vor, dass nationale Ausgabenpläne eine „Reform- und Investitionsagenda“ festlegen. Die Pläne müssen dann mit qualifizierter Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten genehmigt werden, bevor Geld fließt. Die Niederlande fordern hier sogar einen einstimmigen Beschluss.

Rabatte

Anders als von der EU-Kommission geplant, hält Michel an Rabatten für Länder fest, die deutlich mehr in den EU-Haushalt einzahlen als sie zurückbekommen. Deutschland als größter Nettozahler soll jährlich einen Nachlass von 3,67 Milliarden Euro bekommen. Rabatte vorgesehen sind auch für die „sparsamen Vier“: 1,57 Milliarden für die Niederlande, 798 Millionen für Schwede, 237 Millionen für Österreich und 197 Millionen für Dänemark. Mehrere Mitgliedstaaten wollen die Rabatte dagegen abschaffen oder zumindest zeitlich befristen. 

Rückzahlung der Corona-Schulden

Die Corona-Hilfsgelder sollen aus gemeinsamen EU-Schulden kommen, die von der Kommission an den Finanzmärkten aufgenommen werden. Michel will schon 2026 mit der Tilgung beginnen und nicht erst wie die Kommission 2028. Damit kommt er insbesondere Deutschland entgegen, das einen früheren Start forderte, um den Anschein einer Verstetigung gemeinsamer Schulden zu vermeiden.

Neue EU-Abgaben

Um höhere EU-Beiträge der Mitgliedstaaten zu verhindern, will Michel die Schuldentilgung über neue EU-Einnahmen finanzieren: eine Abgabe auf Plastikmüll ab 2021 sowie eine Digitalsteuer und eine Gebühr auf Produkte aus Drittstaaten mit geringeren Umweltauflagen ab 2023. Hinzu kommt eine Ausweitung des Emissionshandels etwa auf Luft- und Schifffahrt. Länder wie Deutschland kritisieren allerdings, dass diese Gelder teils schon in den nationalen Haushalten verplant sind.

Rechtsstaatlichkeit

Bei der Frage, ob EU-Mittel bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden können, blieb Michel bei einer relativ hohen Hürde. Einer entsprechenden Empfehlung der EU-Kommission müssten die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Dieses Quorum gilt als schwer zu erreichen. Dennoch drohte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban umgehend mit einem Veto, wenn die Rechtsstaatlichkeit überhaupt mit dem Haushalt verknüpft wird.

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