Website-Icon Nürnberger Blatt

Hintergrund zur Droh-Mail-Affäre: Vier bedrohte Frauen und ein zurückgetretener Landespolizeipräsident

Hintergrund zur Droh-Mail-Affäre: Vier bedrohte Frauen und ein zurückgetretener Landespolizeipräsident

Polizei (über cozmo news)

Die Droh-Mail-Affäre innerhalb der hessischen Polizei zieht immer weitere Kreise. Die Zahl der Opfer der rechtsextremistischen Drohschreiben erhöhte sich inzwischen auf vier – allesamt Frauen. Landespolizeipräsident Udo Münch trat wegen nicht weitergegebener Informationen von seinem Amt zurück. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) versprach Reformen, doch die Kritik an seiner Person wird lauter. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Wer sind die Bedrohten?

Vier Frauen stehen im Mittelpunkt der Affäre. Die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz aus Frankfurt am Main erhielt bereits 2018 erste rechtsextreme Drohschreiben. Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler immer wieder bedroht wurde. Am Dienstag wurde öffentlich, dass die Berliner Kabarettistin Idil Baydar ebenfalls betroffen ist. Das neueste bekannt gewordene Opfer ist die Linken-Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer. Die Schreiben an alle vier Frauen waren mit „NSU 2.0“ unterzeichnet. Alle Opfer haben gemeinsam, dass sie sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und für Integration stark machen. Beispielsweise hatte Basay-Yildiz im NSU-Prozess Opferfamilien vertreten.

Was ist geschehen und wie ist der Stand der Ermittlungen?

Die Daten von Wissler und Baydar sollen seit März 2019 von Polizeicomputern in Frankfurt am Main und Wiesbaden abgefragt worden sein. Jeweils kurze Zeit nach den Abfragen erhielten die Frauen Drohschreiben. Nach Bekanntwerden der Drohungen gegen Basay-Yildiz wurde wegen des Verdachts eines rechtsextremen Netzwerks innerhalb der Polizei in Frankfurt am Main ermittelt. 

Innenminister Beuth erfuhr von den Droh-Mails gegen Wissler und in einem weiteren Fall nach eigenen Angaben erst vergangene Woche. Landespolizeipräsident Münch, der von Mitarbeitern bereits im März über die Abfragen informiert worden sei, habe die Informationen nicht weitergegeben.

Die Daten einer Betroffenen sollen im März 2019 von einem Wiesbadener Polizeirechner abgefragt worden sein. Bislang konnte nach Angaben Beuths nicht geklärt werden, welcher dienstliche Anlass Grund für die Abfrage war. Trotz der zeitlichen Zusammenhänge der  Datenabfragen mit den erfolgten Drohungen habe bisher kein kausaler Zusammenhang ermittelt werden können, so der Innenminister. Laut Staatsanwaltschaft Frankfurt wird seit August 2018 strafrechtlich zu dem Droh-Mail-Komplex ermittelt.

Was sind die bisherigen Konsequenzen?

Beuth ernannte vergangene Woche den Direktor der Kriminaldirektion im Polizeipräsidium Frankfurt am Main zum Sonderermittler. Hanspeter Mener soll dem Landespolizeipräsidenten über alle Ermittlungsstände unmittelbar berichten. Mener wird seine Erkenntnisse jedoch nicht an Münch weitergeben: Dieser trat am Dienstag als hessischer Landespolizeipräsident wegen der nicht weitergegebenen Informationen an Beuth zurück. 

Beuth kündigte am Dienstag eine Reform des polizeilichen Abfragesystems an. Alle Polizisten sollen neue Zugangsdaten erhalten. Wer sie weitergibt, werde „in jedem Fall mit Konsequenzen zu rechnen haben“. 

Wie reagieren Parteien in Hessen?

Politiker aller Landtagsfraktionen solidarisierten sich nach Bekanntwerden der Drohungen gegen Wissler mit der Linken-Fraktionschefin. Die Opposition im Wiesbadener Landtag kritisierte Beuth scharf. Politiker der Linken und der SPD warfen dem Innenminister am Mittwoch vor, „Teil des Problems“ zu sein. Münch sei nur ein „Bauernopfer“ gewesen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der hessischen SPD, Günter Rudolph. Beuth sei seit Langem überfordert, sagte der innenpolitische Sprecher der hessischen Linksfraktion, Hermann Schaus.

Die mobile Version verlassen