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Verschwörungsmythen: „Die Gesellschaft ist infiziert mit Antisemitismus“

Verschwörungsmythen: „Die Gesellschaft ist infiziert mit Antisemitismus“

Symbolbild: Davidstern neben jüdischen Schriften

Die in Corona-Zeiten kursierenden antisemitischen Verschwörungsmythen lösen beim Antisemitismus-Beauftragten Felix Klein große Besorgnis aus. Es besorge ihn „ganz besonders, dass Milieus, die sonst nie etwas miteinander zu tun haben, die sich üblicherweise bekämpfen, plötzlich einig sind im Hass auf Juden, im Hass auf Israel“, sagte Klein den RND-Zeitungen (Freitagsausgaben). „Wenn auch Menschen mit legitimen Anliegen es in Ordnung finden, Seite an Seite mit Rassisten und Antisemiten zu demonstrieren, zeigt das: Die Gesellschaft ist infiziert mit Antisemitismus.“

Das Problem habe nicht nur mit den aktuellen Demonstrationen zu tun, sondern liege tiefer, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus. „Das Problem wird bleiben, auch wenn die Corona-Demonstrationen abebben.“ Deswegen spreche er so hartnäckig jede Form von Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft an. 

„Wir müssen die hartnäckige Verwurzelung, die wir da haben, auflösen“, so Klein. Es gehe darum, alle Ausprägungen von Antisemitismus zu bekämpfen. „Das ist manchmal sogar für das Bildungsbürgertum unangenehm, aber da müssen wir eben auch nachschauen.“

Klein sieht im Prozess gegen den Attentäter von Halle die Chance für einen grundlegenden Lernprozess für die deutsche Gesellschaft im Umgang mit Hasskriminalität. „Der Anschlag von Halle zeigt, dass jeder Opfer eines antisemitischen Anschlags werden kann“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Prozess biete die „Chance für unsere Gesellschaft, endlich einmal über die Ursachen zu sprechen, wie sich solche Täter radikalisieren, gerade mit Hilfe des Internets“.

„Wir können in der Gedankenwelt des Attentäters sehen, dass Antisemitismus nie für sich alleine steht, sondern immer verbunden ist mit Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit“, sagte Klein weiter. „Wenn wir das verstehen, ist es auch eine Chance.“ Wenn der Kampf gegen Antisemitismus Erfolg habe, „erzielen wir auch Erfolge im Kampf gegen andere Formen der Diskriminierung“. 

Am Jahrestag des Halle-Anschlags, am 9. Oktober, solle daran erinnert werden, „dass solche Denkweisen, dass solche Täter die Gesellschaft als Ganzes bedrohen“, sagte der Antisemitismusbeauftragte weiter. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle hatte vor gut zwei Wochen begonnen.

Der 28-jährige Stephan B. hatte den Ermittlungen zufolge am 9. Oktober 2019 während der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, bewaffnet in die Synagoge in Halle einzudringen. Als ihm dies nicht gelang, erschoss B. auf offener Straße eine Frau, drang in einen Dönerimbiss ein und tötete dort einen Mann. Auf seiner Flucht verletzte er zwei weitere Menschen schwer.

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