Abstimmung unter Argusaugen: Von Trump geschürtes Misstrauen gegen Wahlprozess wächst

Symbolbild: Wahlen
Symbolbild: Wahlen

Wir werden diese Wahl nur verlieren, wenn sie manipuliert wird.“ Mit dieser Behauptung führt US-Präsident Donald Trump seinen Wahlkampf und sät damit schon lange vor dem Urnengang die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl am 3. November. Eine Niederlage für ihn kann nach Lesart des Amtsinhabers nur auf Betrug gründen – die Präsidentschaftswahl 2020 stellt die USA, eine der ältesten Demokratien der Welt, vor nie dagewesene Herausforderungen.

Wegen der Corona-Pandemie werden so viele Wähler wie nie zuvor per Brief abstimmen und mancherorts sind veraltete Wahlmaschinen im Einsatz. Und wie 2016 könnte Russland erneut versuchen, die Abstimmung zu beeinflussen. Doch eine der größten Hürden scheint das von Trump gesäte Misstrauen.

„Die Durchführung dieser Wahlen wird die schwierigste der vergangenen Jahrzehnte sein“, erklärte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die seit Jahrzehnten Wahlen weltweit beobachtet. Die Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 könnten sich auf „den Grad des Vertrauens“ in den Wahlprozess auswirken und „letztlich das Ergebnis in Zweifel ziehen“, heißt es in einem Bericht der OSZE vom Juli.

Das überparteiliche Carter Center, das sich bisher bei der Wahlbeobachtung vor allem auf fragile Demokratien konzentrierte, will dieses Jahr zum ersten Mal die Wahl in den Vereinigten Staaten begutachten. „Die Amerikaner verlieren den Glauben an den US-Wahlprozess“, begründete Jason Carter die Entscheidung. „Das Land ist tief gespalten und sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite sind die Menschen besorgt hinsichtlich der Glaubwürdigkeit.“

Anlässe zur Sorge gibt es mehrere: Seit 2016 wurden nach Angaben der Bürgerrechtsorganisation Leadership Conference on Civil & Human Rights mehr als 1100 Wahllokale in Texas, Arizona, Louisiana und andernorts geschlossen. Außerdem wird noch über die Finanzierung des Postdienstes gestritten, obwohl die Post warnt, dass es schwer sein wird, die Rekordzahl an Briefwahlunterlagen zu befördern.

Auch die langen Schlangen bei der Stimmabgabe bei den Vorwahlen dieses Jahr nährten die Befürchtungen, dass die Präsidentschaftswahl nicht reibungslos ablaufen werde. Viele Wahlhelfer sind zudem älter und werden wegen der Ansteckungsgefahr dieses Jahr vermutlich zuhause bleiben. Die Bundesstaaten stehen unter Druck, genügend neue Freiwillige zu finden und auszubilden.

Im Bundesstaat Georgia laufen derzeit Ermittlungen, weil bei der Vorwahl etwa tausend Wähler doppelt abgestimmt haben sollen. Ein Betrug, zu dem Trump seine Anhänger in einer beispiellosen Geste jüngst in North Carolina regelrecht aufforderte: Sie sollten erst per Brief und dann nochmal im Wahllokal abstimmen, „um sicherzustellen, dass es auch zählt“, sagt er.

John Hudak von der US-Denkfabrik Brookings Institute ist dennoch nicht beunruhigt. „Es gibt ein System, um Wahlbetrug zu verhindern“, besonders die doppelte Stimmabgabe, sagt er. 2Ich habe volles Vertrauen, dass die Bundesstaaten in der Lage sind, legitime Präsidentschaftswahlen zu organisieren.“

Wenn es wegen der vielen Briefwähler zu Verzögerungen kommen sollte und der Sieger noch nicht gleich in der Wahlnacht feststehe, sei das kein Alarmsignal. Im Gegenteil: „Das zeigt, dass das Wahlsystem funktioniert“, sagt Hudak.

Der Harvard-Professor Stephen Ansolabehere ist ebenfalls zuversichtlich, dass die Wahl am Ende rechtmäßig vonstatten gehen wird – entgegen den von Trump verbreiteten Zweifeln. „Trumps Anschuldigungen haben zur Folge, dass jeder genau hinschauen wird“, sagt Ansolabehere. „Und wenn jeder hinschaut, wird es schwer zu betrügen.“

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