Furcht vor „vollständigem Krieg“ in Berg-Karabach durch Einmischung von außen

Bild: glomex

Im militärischen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Kaukasusregion Berg-Karabach wächst die Furcht vor einer Ausweitung der Kämpfe durch eine Einmischung ausländischer Mächte. „Eine Einmischung von außen ist nicht akzeptabel“, warnte am Montag ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Zuvor hatte die pro-armenische Regionalregierung von Berg-Karabach erklärt, dass die Türkei die aserbaidschanische Seite in den Kämpfen mit Waffen und Söldnern unterstütze.

Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan streiten seit Jahrzehnten um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach. Zuletzt war der militärische Konflikt nach Jahren relativer Ruhe wieder neu aufgeflammt. Aserbaidschans Armee und von Armenien unterstützte Rebellentruppen, die Berg-Karabach kontrollieren, lieferten sich am Montag weiter tödliche Gefechte. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew ordnete eine Teil-Mobilmachung der Armee an.

Insgesamt wurden nach offiziellen Angaben seit Sonntag mehr als 60 Menschen getötet, darunter neun Zivilisten. Die Opferzahlen könnten allerdings in Wahrheit weit höher liegen. So gab die Regierung in Aserbaidschan an, 550 pro-armenische Kämpfer getötet zu haben. Die pro-armenischen Kämpfer dementierten den Bericht und erklärten ihrerseits, „dutzende“ aserbaidschanische Soldaten getötet zu haben. Beide Seiten meldeten zudem Gebietsgewinne.

Berg-Karabach hatte in den 1990er Jahren seine Unabhängigkeit erklärt, wurde aber von keinem Land anerkannt und gilt international nach wie vor als Teil von Aserbaidschan. Nun wird befürchtet, dass sich der Konflikt wieder zu einem offenen Krieg ausweiten könnte – auch durch eine drohende Einmischung von außen.

Der neuerliche Ausbruch des Konflikts sei eine „sehr gefährliche Entwicklung“, sagte am Montag in Berlin Regierungssprecher Steffen Seibert. Es müsse ein „sofortiger Waffenstillstand“ erfolgen.  

Die Akteure in der Region müssten „alles tun, um den Ausbruch eines vollständigen Krieges zu verhindern“, warnte auch der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Borrell in Brüssel. Vor allem dürften keine ausländischen Mächte in den Konflikt eingreifen. Der EU-Sprecher konnte Vorwürfe nicht bestätigen, dass in dem Konflikt um Berg-Karabach nun auch pro-türkische Milizen aus Syrien eine Rolle spielten.

Die Türkei hat Aserbaidschan in den vergangenen Jahren bei der Modernisierung seiner Armee unterstützt. Nach dem Beginn der Gefechte sicherte Ankara der Regierung in Baku umgehend volle Unterstützung zu. 

Am Montag forderte Präsident Recep Tayyip Erdogan von Armenien ein Ende der „Besatzung“ der umstrittenen Region. „Wenn Armenien sofort das Gebiet verlässt, das es besetzt, dann wird die Region zu Frieden und Harmonie zurückkehren“, sagte er. 

Nach Angaben der Regionalregierung von Berg-Karabach griff Ankara aktiv in die Kämpfe ein: Die türkische Armee habe Waffen, Soldaten und Söldner zur Unterstützung von Aserbaidschan in die Region entsandt, erklärte der Präsident der selbsternannten Republik Berg-Karabach, Araik Harutjunjan, am Sonntagabend. „Es sind türkische Hubschrauber, F-16 (Kampfflugzeuge) und Soldaten und Söldner aus verschiedenen Ländern anwesend.“

Die Türkei ringt in der Region vor allem mit Russland um Einfluss. Moskau hat freundschaftliche Beziehungen zu beiden Seiten. Es unterhält in Armenien einen Militärstützpunkt, liefert aber auch Waffen an Aserbaidschan. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Montag, dass Russland die Situation genau verfolge. Priorität sei es, „die Feindseligkeiten zu beenden und nicht die Frage, wer Recht hat und wer nicht.“

Armenien rief seinerseits den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an und beantragte Sofortmaßnahmen gegen Aserbaidschan. Der EGMR ist der gerichtliche Zweig des Europarates, dem sowohl Armenien als auch Aserbaidschan seit 2001 angehören.

Anzeige



Anzeige

Avatar-Foto
Über Redaktion des Nürnberger Blatt 44093 Artikel
Hier schreiben und kuratieren die Redakteure der Redaktion des Nürnberger Blatt