Gorleben: Für Jahrzehnte im Fokus der Konflikte um die Atomkraft

Symbolbild: Atomkraftanlage
Symbolbild: Atomkraftanlage

Nach jahrzehntelangen heftigen Konflikten scheidet Gorleben im nord-niedersächsischen Wendland als Standort für ein mögliches deutsches Endlager für hochradioaktiven Atommüll aus. Das geht aus dem Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zu dem Suchverfahren hervor, der am Montag veröffentlicht wurde. Ein kurzer Überblick über die Geschichte von Gorleben:

1977: Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) gibt Gorleben als den möglichen künftigen Standort für ein zentrales sogenanntes Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) für abgebrannte Brennelemente bekannt. Dazu soll auch ein Endlager gehören. Binnen Wochen formiert sich Protest gegen die Pläne.

1979: Aufgrund des großen Widerstands verzichtet die Regierung in Hannover darauf, in Gorleben ein großes NEZ bauen zu wollen. An der Erkundung des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager aber hält sie fest. Erste Arbeiten beginnen im Frühjahr 1979.

1980: Tausende Atomkraftgegner gründen bei Gorleben die „Freie Republik Wendland“ und bauen ein Hüttendorf, das eine Ikone der Umweltschutzbewegung wird. Dieses wird nach etwa einem Monat von der Polizei in einem Großeinsatz geräumt und abgerissen.

1982: In Gorleben startet der Bau eines Zwischenlagers, in dem Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll untergestellt werden sollen. Es kommt zu weiteren teils gewaltsamen Protesten.

1983 und 1984: Im Oktober 1983 stimmt die Bundesregierung der unterirdischen Erkundung des Salzstocks Gorleben zu. Im Oktober 1984 findet ein erster Atommülltransport aus dem Atomkraftwerk Stade in eines der Zwischenlager von Gorleben statt. Es folgt der erste „Tag X“ von Atomkraftgegnern, die ihn stoppen wollen.

1986: Am Salzstock Gorleben beginnt im März der Bau von zwei Schächten für ein sogenanntes Erkundungsbergwerk. Klagen vor Gerichten stoppen die Arbeiten aber. Die Fertigstellung des Bergwerks wird erst 1996 nach zehnjähriger Bauzeit beendet.

1995: Im April 1995 startet ein erster Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll aus dem Akw Philippsburg in Richtung Gorleben. Tausend Atomkraftgegner stellen sich ihm entgegen, es gibt Besetzungen und Anschläge auf Bahnanlagen. Der Schutz des Castors ist der bis dahin größte Polizeieinsatz in Deutschland.

1996: Ein zweiter Castor-Transport, diesmal mit Abfällen aus der Wiederaufbereitung deutscher Brennelemente in Frankreich, erreicht im Mai 1996 Gorleben. Wieder gibt es teilweise gewaltsamen Protest. Sitzblockaden und brennende Barrikaden halten den Transport auf. Anschließend mehren sich in Bund und Land die Stimmen, die einen „Energiekonsens“ suchen wollen.

2000: Die damalige rot-grüne Bundesregierung und die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke vereinbaren den Atomausstieg. In diesem Zusammenhang soll die Erkundung des Salzstocks Gorleben für maximal zehn Jahren unterbrochen werden, um weitere Fragen zur Eignung zu klären. Im Oktober werden die Arbeiten gestoppt.

2001 und 2002: Weitere Castor-Behälter machen sich auf den Weg nach Gorleben in das Atommüll-Zwischenlager. Im Dezember 2002 legt ein vom Bundesumweltministerium eingesetzter Arbeitskreis Endlagerstandortsuche (AkEnd) Vorschläge für eine Suche nach einem Endlager vor, bei der mehrere Standorte verglichen werden.

2009: Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung vereinbart im Oktober 2009 grundsätzlich, die vor einigen Jahren gestoppten Erkundungsarbeiten in Gorleben wieder zu starten. Die Arbeiten werden letztlich ab Oktober 2010 allmählich wieder aufgenommen, zwischenzeitlich jedoch teilweise erneut wieder unterbrochen.

2011: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Vertreter der Bundesländer vereinbaren im November 2011 im Rahmen des Atomausstiegs nach Fukushima eine „ergebnisoffene“ bundesweite Endlagersuche. Details sollen in einem Gesetz geklärt werden. 

2013: Die Bundesregierung und die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen einigen sich auf einen Kompromiss für das Gesetz, das den Ablauf der geplanten nationalen Endlagersuche festlegen soll. Eine Kommission soll Empfehlungen vorbereiten.

2016: Die Bund-Länder-Kommission zur Endlagersuche stellt ihre Vorschläge für den Neustart des Auswahlverfahrens vor. Demnach sollen diverse Standorte geprüft werden, Gorleben bleibt aber im Rennen. Atomkraftgegner kritisieren dieses Ergebnis scharf.

2017: Nach jahrzehntelangen Konflikten beschließt der Bundestag 2017 das Endlagersuchgesetz. Die Standortentscheidung soll bis 2031 in einem ergebnisoffenen wissenschaftlichen Prozess fallen.

2020: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung schließt Gorleben als Standort  aus.

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