Mit rechter Gesinnung und scharfen Waffen: Weitere Zunahme von politischer Gewalt in den USA befürchtet

Symbolbild: Black Lives Matter - Demonstration in den USA
Symbolbild: Black Lives Matter - Demonstration in den USA

Tödliche Schüsse am Rande von Protesten in den Städten Portland und Kenosha lassen in den USA die Ängste vor einer weiteren Gewalteskalation wachsen. Vor der Präsidentschaftswahl im November treten zunehmend bewaffnete rechte Aktivisten in Erscheinung, es kommt zu gewaltsamen Zusammenstößen mit linken Aktivisten. Kritiker werfen Amtsinhaber Donald Trump vor, die Spannungen gezielt zu schüren – und daraus im Wahlkampf politischen Nutzern schlagen zu wollen.

Drei Tote in weniger als einer Woche

Binnen fünf Tagen wurden am Rande von Protesten drei Menschen erschossen. In Kenosha im Bundesstaat Wisconsin starben am Dienstag vergangener Woche zwei Menschen durch Kugeln, als Tatverdächtiger wurde ein 17-Jähriger festgenommen. In der Stadt hatten Polizeischüsse auf einen Afroamerikaner zu Protesten und Ausschreitungen geführt. Am Samstag dann wurde in Portland im Bundesstaat Oregon, wo es seit Monaten Proteste linker Aktivisten gibt, ein mutmaßliches Mitglieder einer ultrarechten Gruppierung erschossen.

Rechte Aktivisten auf der Straße

Am Rande der Black-Lives-Matter-Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt sind immer wieder auch rechte Aktivisten in Erscheinung getreten. Um einen einheitlichen Block handelt es sich allerdings nicht. Zu den Akteuren gehören selbsternannte Bürgerwehren, Verschwörungstheoretiker, radikalisierte Trump-Anhänger oder rechtsradikale Bewegungen wie die Proud Boys und die Boogaloo Boys, die das Land in einen neuen Bürgerkrieg stürzen wollen.

So soll ein mutmaßlicher Anhänger der Boogaloo-Bewegung Ende Mai im kalifornischen Oakland bei einer Anti-Rassismus-Demonstration einen Polizisten erschossen haben, um die Gewalt anzuheizen. Der 17-Jährige wiederum, der für die tödlichen Schüsse in Kenosha verantwortlich gemacht wird, hatte sich offenbar einer Gruppe von Bewaffneten angeschlossen, die nach eigenen Worten Gebäude gegen Plünderer schützen wollten.

Eine lockere Organisation – aber viele Waffen

In der derzeitigen aufgeheizten Situation finden teilweise Aktivisten oder Sympathisanten unterschiedlicher Bewegungen zusammen. Es gebe viel Austausch über die Onlinenetzwerke, sagt der Rechtsextremismus-Experte Daniel Byman von der Denkfabrik Brookings. So werden Rechte über Aufrufe im Internet mobilisiert.

Außerdem gibt es sehr viele Waffen, und zwar nicht nur Schlagstöcke, Pfefferspray und Luftdruck-Gewehre. Immer wieder tragen Aktivisten Pistolen und Sturmgewehre bei sich, in vielen Bundesstaaten ist das legal. Das sei eine neue Entwicklung bei Demonstrationen und mache die Lage „schlimmer“ als bei früheren Protesten, sagt der Rechtsextremismus-Experte Spencer Sunshine. Zusammenstöße zwischen verfeindeten Gruppen können so schnell eskalieren und tödlich enden.

Linke Aktivisten

Zweifellos gibt es bei den Black-Lives-Matter-Protesten auch gewaltbereite Aktivsten des linken Lagers. Trump macht für die Gewalt am Rande der Demonstrationen regelmäßig das antifaschistische Bündnis Antifa verantwortlich. Nach Einschätzung von Experten spielt dieses aber nur eine untergeordnete Rolle.

Furcht vor mehr Gewalt

Beobachter befürchten, dass die Gewalt in den Wochen bis zur Präsidentschaftswahl am 3. November weiter anwachsen wird. Die Anti-Rassismus-Organisation SPLC schrieb kürzlich in einer Analyse, die radikale Rechte wolle die beispiellose „Polarisierung des politischen Klimas“ ausnutzen: „Während die Präsidentschaftswahl 2020 schnell näher rückt, ist die Aussicht sehr real, dass Extremisten zu politischer Gewalt greifen.“

Brookings-Experte Byman sagte, Warnungen vor einem „Bürgerkrieg“ halte er zwar für übertrieben. „Aber eine Zunahme der Gewalt ist gut möglich, sogar wahrscheinlich.“ Auch Rechtsextremismus-Forscher Sunshine warnt: „Es könnte viel schlimmer werden, weil ich nicht denke, dass eine von beiden Seiten nachgeben wird.“

Die Eskalation könnte auch über den 3. November hinaus gehen – wenn Trump die Wahl verliert, eine Niederlage aber nicht anerkennt. Der Rechtspopulist schürt schon jetzt Zweifel am Wahlausgang – und hat wiederholt erklärt, er könne die Wahl nur durch Betrug verlieren.

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