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Risiko eines Brexit-No-Deal: Teurere Autoexporte nach Großbritannien und keine Fangerechte für EU-Fischer

Risiko eines Brexit-No-Deal: Teurere Autoexporte nach Großbritannien und keine Fangerechte für EU-Fischer

London und EU

Seit dem 1. Februar ist Großbritannien kein EU-Mitglied mehr. Bis Jahresende sind die Briten aber noch im Binnenmarkt und in der Zollunion. Die Übergangsphase sollte eigentlich dazu dienen, mit der EU ein Handelsabkommen auszuarbeiten. Doch seit Monaten stecken die Verhandlungen fest. Was passieren würde, wenn die Gespräche scheitern:

Zölle und Einfuhrquoten

Im Handel mit Großbritannien würden ohne Abkommen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO greifen. Hier sind die Zölle der EU mit Drittstaaten in vielen Bereichen zwar relativ niedrig, in manchen Sektoren käme es aber zu kräftigen Aufschlägen: 37,5 Prozent bei Milchprodukten aus Großbritannien, 11,5 Prozent bei Bekleidung, 22 Prozent bei Liefer- und Lastwagen und zehn Prozent bei Autos.

Die europäische Autoindustrie warnt bei einem „No Deal“ vor einem dramatischen Einbruch des beiderseitigen Handelsvolumens über die kommenden fünf Jahre um 110 Milliarden Euro. Für Großbritannien würde das ein Minus von 52,8 Milliarden Euro bedeuten, für die EU-Staaten 57,7 Milliarden Euro.

Die EU und Großbritannien könnten zudem weitere Handelshemmnisse einführen. Dies könnten Einfuhrquoten sein oder auch abweichende technische oder Nahrungsmittel-Standards, die einen reibungslosen Export behindern.

Grenzkontrollen

Ob mit oder ohne Vereinbarung: Mit dem Austritt Großbritanniens aus dem Binnenmarkt wird es ab dem 1. Januar 2021 auf beiden Seiten wieder Kontrollen für Waren an den Grenzen geben. Dies bedeutet zusätzliche Kosten für die Unternehmen wegen Wartezeiten oder mehr Verwaltungsaufwand.

Bei einem „No Deal“ würde diese Belastung deutlich höher ausfallen. Nach einer Studie des britischen Zolls würde zusätzliche Bürokratie die Unternehmen auf beiden Seiten 15 Milliarden Pfund (16,4 Milliarden Euro) pro Jahr kosten. 

Die britische Regierung rechnet zudem „im schlimmsten Szenario“ damit, dass sich bis zu 7000 Lastwagen im Südwesten England stauen könnten, weil durch die Kontrollen am Ärmelkanal Verzögerungen entstehen. London hält dabei Wartezeiten für die Lieferanten von bis zu zwei Tagen ab dem 1. Januar für möglich.

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Die EU betont immer wieder, dass die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen die Briten deutlich härter treffen würden als die Kontinentaleuropäer. Tatsächlich machen die britischen Warenexporte in die EU 47 Prozent der Gesamtausfuhren aus. Umgekehrt sind es für die EU-Länder nur acht Prozent. „Selbst ein kleines Abkommen ist viel besser als keine Vereinbarung“, sagt Carolyn Fairbairn, die Generaldirektorin des britischen Industrieverbandes CBI. 

Nach einer Studie des Forschungszentrums The UK in a Changing Europe könnte ein Austritt ohne Abkommen langfristig fast drei Mal so teuer für die britische Wirtschaft werden wie die Folgen der Corona-Pandemie. Demnach würde Großbritanniens Wachstum durch den „No Deal“ über 15 Jahre um 5,7 Prozent geringer ausfallen. Bei Covid-19 sind es demnach nur 2,1 Prozent.

Fischerei

Großbritannien vereinbart bisher jährlich die Fangquoten mit der EU. Ohne Abkommen dürften EU-Fischer nicht mehr in britischen Gewässern ihre Netze auswerfen. Dies wäre vor allem für die die EU-Länder Frankreich, Dänemark, Belgien, Niederlande und Spanien ein schwerer Schlag. Deutsche Fischer wären dagegen kaum betroffen.

Finanzmarkt

Die Londoner City ist für die EU bisher ein zentraler Finanzplatz. Die EU trifft deshalb bereits Vorbereitungen, um Marktturbulenzen zu Jahresbeginn zu verhindern. Vergangene Woche kündigte die EU-Kommission an, dass sie bis Mitte 2022 britischen Abwicklungshäusern für Finanzprodukte wie Derivate weiter Geschäfte auf dem EU-Markt erlauben will.

In Zukunft hängt der Zugang der Finanzhäuser aus Großbritannien von sogenannten Äquivalenzentscheidungen ab. Mit ihnen würde die EU-Kommission von Jahr zu Jahr entscheiden, ob die britischen Regeln für die Finanzbranche noch den europäischen entsprechen. Nur dann könnten britische Banken und Finanzhäuser weiter auf dem Kontinent tätig sein.

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