Rufe nach unabhängiger Untersuchung in Russland zum Giftanschlag auf Nawalny

Symbolbild: Flasche mit flüssigem Gift
Symbolbild: Flasche mit flüssigem Gift

Nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wächst der internationale Druck auf Russland – Moskau aber zeigt sich unbeeindruckt und weist jede Schuld von sich. Die Nato forderte am Freitag eine unabhängige internationale Untersuchung und verlangte zudem, dass Russland sein Programm zum Nervengift Nowitschok gegenüber der Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OVCW) „vollständig offenlegen“ müsse. Russlands Außenminister Sergej Lawrow rief seinerseits Deutschland auf, Erkenntnisse zu dem Fall mit Moskau zu teilen. Den westlichen Aussagen zu dem Giftanschlag werde mit „Skepsis“ begegnet. 

Bei einer Sondersitzung der Nato forderte Generalsekretär Jens Stoltenberg eine „unparteiische“ Untersuchung der Vergiftung Nawalnys. Die 30 Nato-Mitglieder hätten den „entsetzlichen Mordanschlag“ auf Nawalny „auf das Schärfste verurteilt“. Berlin habe die Verbündeten über die Ergebnisse der Untersuchungen in Deutschland informiert, die ergeben hatten, dass Nawalny einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe ausgesetzt war. Das Gift war in den 1970er Jahren durch sowjetische Wissenschaftler entwickelt worden.

Die Ärzte in dem sibirischen Krankenhaus, in dem Nawalny anfangs behandelt worden war, bevor er in die Klinik Charité nach Berlin verlegt wurde, fanden nach eigenen Angaben sowie nach Angaben des Kremls kein Gift im Körper des bekannten Kritikers von Präsident Wladimir Putin. Der Toxikologe Alexander Sabajew führte Nawalnys Gesundheitszustand am Freitag auf Diäten, Stress oder Müdigkeit zurück.

Behauptungen des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der Westen habe den Giftanschlag nur vorgetäuscht, wies Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin als „selbstverständlich unwahr“ zurück. In den vergangenen Tagen wurden auch aus dem Umfeld des Kremls Theorien lanciert, wonach Nawalny in Berlin von Deutschen vergiftet worden sein oder selbst Gift zu sich genommen haben könnte.

Über mögliche Sanktionen gegen Russland wollte Nato-Generalsekretär Stoltenberg vorerst nicht spekulieren. Die Konsultationen zwischen den Verbündeten und auch mit anderen Organisationen gingen weiter, sagte er. Der Einsatz von Nervenkampfstoffen sei „eine eklatante Verletzung des internationalen Rechts“. Deshalb brauche es auch „eine internationale Antwort“.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian forderten Moskau gemeinsam auf, „unverzüglich den Ablauf des Vorfalls und die Verantwortlichkeiten für diese versuchte Ermordung eines Mitglieds der russischen Opposition vollständig“ aufzuklären. Der Angriff auf Nawalny sei eine „sehr schwere Verletzung der grundlegenden Prinzipien der Demokratie und des politischen Pluralismus“.

125 EU-Abgeordnete forderten eine internationale Untersuchung unter Beteiligung der Vereinten Nationen und des Europarats. Sie seien „äußerst skeptisch, dass die russischen Behörden in der Lage und willens sind, den wahren Hintergrund dieses Verbrechens zu untersuchen“, schrieben die Parlamentarier an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. 

Auch Bundespräsident Steinmeier ging mit der russischen Seite scharf ins Gericht. „Dass Oppositionelle und kritische Stimmen in Russland in Serie um ihre Gesundheit oder ihr Leben fürchten müssen, ist ohne Zweifel eine schwere Belastung für die Glaubwürdigkeit der russischen Führung und erschwert die Zusammenarbeit,“ sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). 

Bei der Berliner Justiz ging derweil ein Rechtshilfeersuchen der russischen Justiz zu dem Fall ein. Details dazu nannten die Berliner Justizbehörden nicht. Russlands Außenminister Lawrow sagte auf einer Pressekonferenz, dass den Aussagen des Westens mit einer „guten Dosis Skepsis“ begegnet werde. Zuerst müsste Berlin ohnehin dem Rechtshilfeersuchen Russlands nachkommen. 

In Deutschland wurde unterdessen weiter über einen Stopp der Arbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 als mögliche Sanktion gegen Russland debattiert. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, forderte einen zweijährigen Baustopp. Es sei nun eine „klare und unmissverständliche Antwort notwendig“, sagte Merz der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach sich gegen Schritte gegen Nord Stream 2 aus.

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