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Belgien: Infizierte Pfleger und überlastete Testzentren

Belgien: Infizierte Pfleger und überlastete Testzentren

Symbolbild: Coronavirus-Test

Belgien droht wie kaum ein anderes Land in Europa von der zweiten Corona-Welle überrollt zu werden. Vielerorts nähern sich die Krankenhäuser ihren Kapazitätsgrenzen, besonders in Brüssel und Teilen der Wallonie ist die Lage bereits dramatisch. Die Politik bereitet sich nach internen Querellen entlang der Sprachgrenzen nun auf einen zweiten landesweiten Lockdown vor.

„Wir sehen einen Tsunami, der auf uns zurollt“, sagt die Spezialistin für Infektionskrankheiten Christelle Meuris. Sie arbeitet am Universitätsklinikum in Lüttich unweit der deutschen Grenze. Ihr Krankenhaus habe bereits in der vergangenen Woche „den Höchststand an Corona-Patienten der ersten Welle überschritten“.

Die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen in ganz Belgien hat sich im Lauf der vergangenen Woche fast verdoppelt. Am Montag mussten 5260 Corona-Patienten stationär behandelt werden, über 800 davon auf der Intensivstation. Unter den Intensiv-Patienten ist auch die Außenministerin und ehemalige Regierungschefin Sophie Wilmès. Das Land verfügt insgesamt über knapp 2000 Intensiv-Betten.

In der Provinz Lüttich und deren Hauptstadt ist die Lage besonders dramatisch. Patienten wurden auf umliegende Provinzen und teilweise nach Deutschland verlegt. Selbst Ärzte und Pfleger, die positiv getestet wurden, erhielten die Anweisung, weiterzuarbeiten, solange sie keine Symptome zeigen. „Ich habe keine Wahl“, sagt ein betroffener Pfleger am Uniklinikum. „Ich habe meinen Vorgesetzten gewarnt, er hat gesagt, sie könnten mich nicht ersetzen.“

Der Leiter der Intensivstation, Benoit Misset, verteidigt die Anordnung: Infiziertes Personal, das keine Beschwerden habe, müsse weiterarbeiten, eine Maske müsse ausreichen. Er könne sich das nicht aussuchen.

Landesweit wurden in Belgien in den vergangenen sieben Tagen im Durchschnitt jeweils über 13.000 neue Fälle festgestellt – mehr als im um ein vielfaches größeren Deutschland. In Europa verzeichnet relativ zur Einwohnerzahl derzeit nur Tschechien mehr Ansteckungen. 

Dabei werden seit über einer Woche in Belgien de facto nur noch Menschen mit Symptomen getestet, die Dunkelziffer der Infektionen dürfte also hoch sein. Wegen der Überforderung der Labore und der behördlichen Kontaktnachverfolgung haben die Behörden das großflächige präventive Testen aufgegeben.

Platz in den Krankenhäusern könne eventuell geschaffen werden, indem nicht schwer erkrankte Menschen in Hotels untergebracht werden, schlug der wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo am Montag vor. Größer als die Platzsorgen seien jedoch die Personalprobleme. „Da haben wir wenig Spielraum“, sagte er dem Radiosender La Première.

„Schon vorher waren wir unterbesetzt, aber jetzt wird es noch schlimmer“, klagt auch die Lütticher Ärztin Meuris. Einige Kollegen hätten sich noch nicht vom Stress der ersten Corona-Welle erholt – und einige hätten den Job in der Folge ganz an den Nagel gehängt.

„Wir sind überfordert und auch ein wenig verbittert, weil wir das seit zwei Monaten erwartet haben“, sagt Stationsleiter Misset. Die nötigen Entscheidungen seien nicht rechtzeitig getroffen worden. Weder die Politik noch die breite Bevölkerung habe die Lage ernst genommen.

Der Mediziner fordert wie auch bekannte Virologen des Landes seit Wochen strengere Maßnahmen. Für strikte landesweite Einschränkungen bekam die Föderalregierung von Ministerpräsident Alexander De Croo aber bislang kein grünes Licht. Die flämische Regionalregierung stellte sich unter Verweis auf die niedrigeren Infektionszahlen in Flandern quer.

„Ich werde nicht mein Haus wegen eines Feuers unter Wasser setzen, das vielleicht nächste Woche ausbrechen wird“, sagte Regionalregierungschef Jan Jambon noch am Sonntag. Spätestens am Dienstag aber war klar: Auch im Norden Belgiens ist das Feuer längst ausgebrochen und kaum noch zu kontrollieren. Die mit Abstand höchsten Zuwachsraten bei den Corona-Ansteckungen verzeichnen mittlerweile die flämischen Provinzen Ostflandern, Westflandern und Limburg.

Schließlich ruderte auch Jambon zurück und berief für Dienstagabend eine Krisensitzung ein. Es wurde dabei fest mit strengeren Maßnahmen gerechnet. Brüssel und die Wallonie hatten zuvor bereits auf ihren Gebieten eine strengere nächtliche Ausgangssperre, allgemeine Maskenpflicht und die Schließung von Kirchen und Sportstätten verhängt. Geht die fatale Entwicklung so weiter, dürfte ein landesweiter Lockdown bald folgen.

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