EU-Parlament will Messlatte beim Klimaschutz höher legen

Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro
Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro

Das Europaparlament will die Messlatte beim Klimaschutz höher legen als bislang von der EU-Kommission geplant. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Brüssel dafür, bis zum Jahr 2030 eine Verringerung der CO2-Emissionen um 60 Prozent anzustreben. Von konservativen Abgeordneten und aus der Industrie kam scharfe Kritik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte 55 Prozent als Zielmarke vorgeschlagen.

Zur Abstimmung stand das im Frühjahr von der Kommissionschefin vorgeschlagene Klimagesetz, mit dem das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankert werden soll. Das bisherige Zwischenziel für 2030 einer Verringerung der CO2-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reicht dafür nicht aus. Die Kommission schlug mit Verweis auf eine Folgeabschätzung deshalb 55 Prozent vor.

Sozialdemokraten, Grünen, Linken und vielen Liberalen im EU-Parlament ging dies nicht weit genug. Sie forderten mindestens 60 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 und lehnten die Berechnungsmethode der Kommission ab, welche die CO2-Speicherkapazität von Wäldern neuerdings auf das Klimaziel anrechnet. Das entsprechende Votum des Parlaments sei „ein großer Erfolg für das Klima“, befand der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.

Die konservativen und rechten Fraktionen befürchten bei höheren Klimaambitionen hingegen Arbeitsplatzverluste und erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Nahezu die gesamte konservative EVP-Fraktion, die größte Gruppe im Parlament, stimmte gegen die Verschärfung des Kommissionsvorschlag.

Das Parlament verständigte sich am Mittwoch zunächst auf eine Reihe von Änderungen am Gesetzesentwurf der EU-Kommission. Anschließend stand noch der gesamte Gesetzestext zur Abstimmung, das Ergebnis soll am Donnerstag bekannt gegeben haben. „Wir werden uns enthalten, weil wir die 60 Prozent wirklich nicht mögen und denken, dass sie Jobs bedroht“, erklärte der CDU-Abgeordnete Peter Liese dazu.

Ähnlich äußerte sich die FDP-Abgeordnete Nicola Beer: Zu hohe Ziele könnten „einige EU-Mitgliedstaaten wirtschaftlich und sozial an die Wand drücken“. Die fünf EU-Abgeordneten der FDP hatten anders als die große Mehrheit ihrer Fraktionskollegen gegen eine Verschärfung der Zielsetzung auf minus 60 Prozent gestimmt.

Scharfe Kritik kam auch aus der Wirtschaft. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft lehnte den Beschluss des Parlaments „strikt ab“: „Allein das derzeitig geltende Reduktionsziel von 40 Prozent ist nur unter größten Anstrengungen zu erreichen.“ Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller, warf sowohl dem Parlament als auch der Kommission vor, Klimaschutz und Industriepolitik nicht zusammen zu denken.

Umweltschützer begrüßten den Parlamentsvorschlag als „ehrgeizig“: Er treibe „die Klimadebatte eindeutig in die richtige Richtung“, erklärte Wendel Trio von der Organisation Climate Action Network. „Die europäischen Regierungen müssen sich jetzt stärker engagieren“, forderte Sebastian Mang von Greenpeace.

Das finale Klimagesetz muss noch zwischen dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten ausgehandelt werden. Letztere haben sich noch nicht auf eine gemeinsame Verhandlungsposition festgelegt. Zuletzt gab es Signale, dass die Mitgliedstaaten diese Entscheidung beim EU-Gipfel kommende Woche weiter hinauszögern könnten. Unter den Mitgliedstaaten ist besonders das stark von der Kohle abhängige Polen gegen eine deutliche Verschärfung der Klimaziele.

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