Nawalny sieht sein Überleben als „Verkettung glücklicher Umstände“

Nawalny - Bild: Yevgeny Feldman/EPA
Nawalny - Bild: Yevgeny Feldman/EPA

Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat in seinem Interview mit dem „Spiegel“ sein Überleben als „Verkettung glücklicher Umstände“ bezeichnet. Die Piloten seien in Omsk notgelandet, die Ambulanz sei sofort am Flughafen gewesen, er habe innerhalb von eineinhalb Stunden Atropin gegen das Gift bekommen – andernfalls „wäre ich gestorben“, sagte Nawalny in dem am Donnerstag veröffentlichten Interview.

Der „Plan“ zu seiner Vergiftung sei schlau gewesen: „Ich wäre losgeflogen, während des Flugs gestorben und in einem Omsker oder Moskauer Leichenschauhaus gelandet“, sagte der 44-jährige Oppositionelle. Dort hätte zudem niemand den Giftstoff Nowitschok gefunden. „Es wäre einfach ein verdächtiger Tod gewesen.“

Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. „Das ist einfach schwer zu beschreiben“, erklärte Nawalny weiter. „Du kannst dich nicht mehr konzentrieren.“ Er habe kalten Schweiß gehabt, nicht verstanden, was mit ihm geschehe. Er sei auf die Toilette und habe sich mit kaltem Wasser gewaschen. „Du fühlst keinen Schmerz, aber du weißt, du stirbst. Und zwar jetzt sofort. Dabei tut dir gar nichts weh.“ 

Schließlich habe er sich an einen Steward gewandt und gesagt: „Man hat mich vergiftet. Ich sterbe.“ Das letzte, was er gesehen habe sei ein Gesicht, das ihn mit leichter Verwunderung angeschaut und gefragt habe: „Vergiftet?“ Er habe noch leiser werdende Stimmen gehört. „Dann ist Schluss. Ich weiß, ich bin tot. Nur hat sich später herausgestellt, dass ich mich geirrt habe.“

Nawalny kam nach der Notlandung in ein Krankenhaus in Omsk. Zwei Tage später wurde er auf Drängen seiner Familie und seiner Unterstützer zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht; in Deutschland wurde eine Vergiftung mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe festgestellt. Labore in Frankreich und Schweden bestätigten diesen Befund eines Bundeswehrlabors.

Im Interview erhebt der Kreml-Kritiker schwere Vorwürfe gegen die Ärzte in Omsk. „In meinen Augen ist der Chefarzt des Krankenhauses in Omsk schlimmer als die Geheimdienstler, die Leute umbringen“, sagte Nawalny. Für Letztere sei das Töten ihr Beruf. Der Arzt aber wisse „alles und erzählt der Welt irgendwas von Stoffwechselstörungen“. 

Trotzdem wolle er den Medizinern, die „warten wollten, bis ich tot bin“ nicht „die Köpfe abhacken“, sagte Nawalny. Er sei für Rechtsstaatlichkeit. Sie gehörten in einem fairen Prozess vor Gericht. 

Die russische Regierung weist den Verdacht zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben und wirft inzwischen sogar dem US-Geheimdienst CIA vor, mit Nawalny zusammenzuarbeiten. Der Fall hat für erhebliche Spannungen zwischen Berlin und Moskau gesorgt. 

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