Spaniens schwierige Rückkehr in den Notstand

Flagge von Spanien
Flagge von Spanien

Die Bilder gleichen denen vom Frühjahr: In Metropolen wie Madrid und Barcelona sind die Straßen fast leer, von einem Nachtleben kann bei den sonst so geselligen Spaniern keine Rede mehr sein. Nachdem in den vergangenen Wochen wegen explodierender Infektionszahlen immer mehr Corona-Restriktionen verhängt wurden, gilt nun landesweit wieder der Gesundheitsnotstand mitsamt nächtlicher Ausgangssperre. Bei den Spaniern stößt die bis kommenden Mai geplante Maßnahme auf Verständnis, viele sind die massiven Einschränkungen aber auch leid.

„Die Situation, die wir durchleben, ist extrem“, begründete Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez am Sonntag die Ausrufung des nationalen Gesundheitsnotstands. Kurz zuvor hatte Spanien als erstes Land Europas und sechstes Land weltweit die Schwelle von einer Million Corona-Infektionen überschritten. Fast 35.000 Menschen starben in Spanien schon an dem Virus. Bis Anfang Mai soll daher nun mit Ausnahme der Kanarischen Inseln landesweit eine nächtliche Ausgangssperre gelten, in der Regel von 23.00 bis 06.00 Uhr. 

José Benítez hat dafür vollstes Verständnis. In dieser Zeit sei er ohnehin immer zu Hause, sagt der 76-Jährige, als er gerade mit Maske auf den Straßen von Barcelona unterwegs ist. Die erneute starke Ausbreitung des neuartigen Coronavirus macht Benítez als potentziellem Risikopatienten zu schaffen: „Es fängt an, mir Sorgen zu machen – denn wenn es mich erwischt, werde ich mich in meinem Alter nicht mehr davon erholen.“

Aus einer ganz anderen Perspektive sieht die 25 Jahre alte Julia Valera die neuen Einschränkungen. „Ich denke, dass der soziale Aspekt bei den Menschen nicht berücksichtigt wird“, kritisiert sie. „Alles, was nach Vergnügen aussieht, wird eingeschränkt, aber wir können weiter in überfüllten U-Bahnen zur Arbeit fahren.“

Die Biologin aus Barcelona hat schon unter dem Corona-Lockdown sehr gelitten, der Spanien von Mitte März bis Juni lahm legte. Weil in ihrem Land so scharfe Restriktionen galten wie in kaum einem anderen, war Valera wochenlang von ihrem Freund getrennt. Der ist von dieser Erfahrung regelrecht traumatisiert: „Es war sehr hart, ich habe Momente großer Angst erlebt“, sagt Albert Carles. Wegen dieser Erfahrungen hat der 26-jährige Industrieingenieur inzwischen eine Psychotherapie begonnen.

Auch in Madrid trifft der Gesundheitsnotstand viele Menschen hart. In der spanischen Hauptstadt und acht umliegenden Orten ist gerade erst eine Teilabriegelung zur Eindämmung der Pandemie zu Ende gegangen. Zwei Wochen lang durften die Menschen ihre Wohnorte nur zum Arbeiten oder für medizinische Behandlungen verlassen.

Der Madrilene Adán Skaly ist über die neuen Corona-Restriktionen im Zwiespalt: Einerseits erkennt er ihre Notwendigkeit aus gesundheitlichen Gründen an, andererseits fürchtet er eine schwere Rezession. „Ich kann das verstehen“, sagt der 23-jährige Unternehmer, „aber es hängt von der Dauer der Maßnahmen ab, das kann zu viel sein, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht“.

Der Rezeptionistin Carolina Beltrán gehen die Einschränkungen hingegen nicht weit genug. Sie findet, dass die nächtliche Ausgangssperre schon um 21.00 Uhr beginnen sollte, sagt sie, als sie durch das fast leere Zentrum von Madrid läuft. 

Die 36-Jährige hofft, dass die Spanier nach strikten Einschränkungen das Jahr wenigstens noch einigermaßen gut abschließen können. Abwarten ist für Beltrán keine Option: „Je früher wir die Restriktionen verhängen um das Virus zu stoppen, umso besser ist es, damit es zu Weihnachten etwas ruhiger wird.“

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