Website-Icon Nürnberger Blatt

Tiergartenmord-Prozess beginnt in heiklen diplomatischen Zeiten

Tiergartenmord-Prozess beginnt in heiklen diplomatischen Zeiten

Tatort: Berlin-Tiergarten

Der Fall hat alle Zutaten eines Politthrillers: Am Mittag des 23. Augusts 2019 soll der 55-jährige Russe Vadim K. einen Georgier im Berliner Kleinen Tiergarten mit Kopfschüssen getötet haben – im Auftrag Russlands. Hintergrund soll die mutmaßliche Gegnerschaft des tschetschenischstämmigen Opfers unter anderem zum russischen Zentralstaat gewesen sein. Am Mittwoch beginnt vor dem Berliner Kammergericht der Mordprozess gegen den Russen.

Bereits die Ermittlungen belasteten das ohnehin aktuell angespannte Verhältnis zwischen Russland und Deutschland schwer. Staatliche Stellen der russischen Regierung sollen dem Angeklagten, Vadim K. alias Vadim S., laut Bundesanwaltschaft vor dem 18. Juli 2019 den Auftrag erteilt haben, Tornike K. zu „liquidieren“. Das spätere Opfer hielt sich demnach seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland auf.

Der Georgier soll zwischen 2000 und 2004 im zweiten Tschetschenienkrieg als Anführer einer tschetschenischen Miliz gegen Russland gekämpft haben. Russische Behörden stuften ihn zudem laut Bundesanwaltschaft als „Terroristen“ ein und warfen ihm vor, Mitglied einer Terrorvereinigung gewesen zu sein. Grund für den Tötungsauftrag soll neben seiner Gegnerschaft zu Russland auch die zu den Regierungen der Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien und der Regierung Georgiens gewesen sein. 

Vadim K. soll den Tötungsauftrag russischer Stellen angenommen haben, entweder um dafür bezahlt zu werden oder weil er das Motiv seiner Auftraggeber teilte. Der Mann soll am 17. August 2019 zunächst von Moskau nach Paris und später nach Warschau gekommen sein, von wo aus er nach Berlin gereist sein soll. Um in den Schengenraum zu kommen, soll er einen auf den Aliasnamen Vadim S. ausgestellten Reisepass benutzt haben.

Am Mittag des Tattags soll er sich Tornike K. dann im Kleinen Tiergarten im Stadtteil Moabit auf einem Fahrrad von hinten genähert haben. Die Ermittler werfen Vadim K. vor, mit einer Glock 26 zunächst seitlich auf den Oberkörper des Georgiers geschossen zu haben, woraufhin dieser zu Boden fiel.

Zwar sei auch der Angeklagte mit dem Fahrrad hingefallen. Er soll aber unmittelbar darauf zu Tornike K. gegangen sein und zwei Schüsse auf dessen Kopf abgefeuert haben. Der Mann starb noch vor Ort. Kurz nach der Tat wurde Vadim K. in der Nähe festgenommen und kam in Untersuchungshaft.

Bereits im Dezember 2019 wies die Bundesregierung als Reaktion auf die Tat zwei russische Diplomaten aus. Die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft nannte die russische Botschafter in Deutschland „haltlos“. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) stellte die russische Seite vor einem Besuch in Moskau im August als unkooperativ dar.

Wenig später kam dann eine weitere schwere diplomatische Belastung für Berlin und Moskau hinzu: Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde vergiftet und ab dem 22. August 32 Tage lang in der Berliner Universitätsklinik Charité behandelt. Die Bundesregierung verurteilte die Tat scharf und forderte die russische Regierung auf, sich zu erklären. Moskau weist den Verdacht zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben.

Die mobile Version verlassen