Bidens Mister Multilateralismus: Antony Blinken soll neuer US-Außenminister werden

Antony Blinken - Bild: US State Department, Public domain, via Wikimedia Commons
Antony Blinken - Bild: US State Department, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Europäer können auf freundlichere Töne aus Washington hoffen. Und das nicht nur, weil Antony Blinken in seiner Freizeit singt und E-Gitarre spielt. Vor allem aber ist der designierte US-Außenminister ein pro-europäischer Verfechter des Multilateralismus. Der gewählte Präsident Joe Biden setzt mit dem 58-Jährigen auf einen langjährigen Vertrauten mit großer außenpolitischer Erfahrung – und auf ein Ende des nationalistischen „Amerika zuerst“ des scheidenden Präsidenten Donald Trump.

Biden will das Verhältnis zu den europäischen Verbündeten wieder kitten, das in den vier Trump-Jahren massiv gelitten hat. Der frühere Vize-Außenminister Blinken ist dafür sein Mann – zumal ihn privat viel mit „Old Europe“ verbindet. Der in New York geborene Blinken ging in Paris zur Schule, wo sein Stiefvater wohnte, der Holocaust-Überlebende Samuel Pisar. Später arbeitete er in der französischen Hauptstadt als Anwalt. Der 58-Jährige spricht fließend Französisch.

An Blinkens großer außen- und sicherheitspolitischen Erfahrung gibt es keine Zweifel. Schon in den 1990er Jahren arbeitete er unter Präsident Bill Clinton im Team des Nationalen Sicherheitsrats. Später arbeite der meist Tony angesprochene Blinken für Biden in US-Senat. Unter Präsident Barack Obama wurde er dann Nationaler Sicherheitsberater für Vizepräsident Biden und später Stellvertreter von Außenminister John Kerry, der nun Klimaschutz-Beauftragter des Weißen Hauses wird.

Für Biden, der am 20. Januar das Präsidentenamt antritt, soll Blinken fortan die Außenpolitik der Weltmacht neu ausrichten. Oder besser: Eine Rückkehr zur Zeit vor Trump einläuten. Das bedeutet nicht nur, die Partnerschaft zu den europäischen Verbündeten wieder zu stärken. Grundsätzlich wollen die USA der internationalen Zusammenarbeit wieder mehr Gewicht einräumen.

Biden hat eine Rückkehr zum Pariser Klimaschutzabkommen versprochen und will den von Trump eingeleiteten Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stoppen. Auch eine Rückkehr zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran, das Blinken mit ausgearbeitet hatte, ist anvisiert.

Der stets höfliche Blinken ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Trumps barschem Außenminister Mike Pompeo, der den Europäern im Streit um den Umgang mit Teheran schon vorgeworfen hat, sich „auf die Seite der Ayatollahs“ gestellt zu haben. „Ich habe noch niemanden getroffen, der von einem Wutanfall von Tony berichtet hat“, sagt Blinkens Kindheitsfreund Robert Malley, Präsident des Politikinstituts International Crisis Group.

Zugleich tritt Blinken durchaus für eine robuste Außenpolitik ein, wenn es um die Verteidigung von Menschenrechten geht. So räumte er ein Scheitern der Regierung des zögerlichen Obama im Umgang mit dem blutigen syrischen Bürgerkrieg ein: „Wir sind gescheitert. Nicht, weil wir es nicht versucht hätten, aber wir sind gescheitert.“

In einer Rede bei der Denkfabrik Hudson Institute mahnte Blinken kürzlich: „Wir müssen für unsere Werte geradestehen und sie zurück in den Mittelpunkt unserer Außenpolitik stellen – nicht vor ihnen weglaufen.“

Geprägt wurde Blinken dabei von seinem Stiefvater, der als Jugendlicher das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatte. 2017 schilderte Blinken, wie Samuel Pisar zum Ende des Zweiten Weltkriegs bei einem Todesmarsch entkommen konnte und nach mehreren Tagen auf einen US-Panzer stieß.

„Er ist auf die Knie gegangen und hat die einzigen drei Wörter gesagt, die er kannte, die seine Mutter ihm beigebracht hatte: ‚God bless America‘ (Gott segne Amerika)“, berichtete Blinken. „Der GI hat ihn auf den Panzer gehoben – im übertragenen Sinne in die USA und in die Freiheit.“

Es sei dieses Bild von einem „außergewöhnlichen, einmaligen, einladenden“ Amerika, mit dem er aufgewachsen sei, sagte Blinken. Als künftiger Außenminister wird er viel Arbeit haben, weltweit wieder ein solches Bild von den USA zu vermitteln.

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