Café-Betreiberin in Rom verbietet Gespräche über die Corona-Pandemie

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Die Botschaft des handgeschriebenen Plakats über dem Tresen ist unmissverständlich: Gespräche über Corona, Lockdowns oder Virologie sind im „Feeling“ streng verboten. Das zweite Plakat bietet Alternativen an, sollte es an Gesprächsstoff fehlen: „Aktuelles, Promi-Klatsch, Geschichte, Allgemeinwissen“. Mit ihrer humorvollen Zensur-Initiative will die Wirtin einer kleinen Café-Bar am Stadtrand von Rom ihren Gästen eine kurze Auszeit von der Corona-Krise ermöglichen.

„Wir reden nun seit Monaten über das Gleiche“, sagt Cristina Mattioli, die Betreiberin des „Feeling“. „Daher haben wir beschlossen, die Stimmung ein bisschen aufzulockern und der Lage ein Lächeln und ein bisschen Leichtigkeit entgegenzusetzen“.

Italien wurde als erstes Land in Europa schwer von der Pandemie getroffen und verhängte einen der strengsten Lockdowns. Nach ein paar unbeschwerten Wochen im Sommer dominiert die Pandemie nun wieder den Alltag, und die Zahl der Todesfälle nimmt täglich zu: Inzwischen haben sich mehr als 1,3 Millionen Menschen im Land infiziert, fast 48.000 starben nach Angaben der Behörden an den Folgen ihrer Infektion. 

„Es geht mir nicht darum, die Situation zu leugnen, es ist nur ein Mittel, ein wenig Gelassenheit zurückzugewinnen“, sagt Mattioli. „Die Gäste haben positiv reagiert“, erzählt die 35-Jährige. „Zuerst mussten sie lachen. Dann sagten sie: ‚Das gefällt uns, so vergessen wir wenigstens ein bisschen unsere derzeitige Lage'“.

Stammkundin Bruna Piazza, die bei Mattioli gerade Lottoscheine kauft, pflichtet ihr bei: „Wir haben es satt, über Covid zu reden. Egal wohin man geht, man redet nur noch darüber“, beklagt sich die 58-Jährige. „Ich rede gerne über alles außer Corona, übers Wetter zum Beispiel oder über Prominente.“ Dabei rückt sie ihre Schutzmaske zurecht.

Dennoch ist das Coronavirus auch im „Feeling“ allgegenwärtig, vom Desinfektionsspender bis zu den Masken, die alle Kunden tragen müssen, solange sie nicht essen oder trinken. Wie alle Bars und Cafés in weniger gefährdeten Regionen Italiens ist auch Mattioli gezwungen, aufgrund der Corona-Beschränkungen um 18 Uhr ihre Türen zu schließen. In Risikogebieten müssen sie ebenso wie in Deutschland derzeit komplett geschlossen bleiben.

Maurizio Ciocari nennt Mattiolis Initiative „weise, ja sogar unverzichtbar: Wir müssen aufhören, über das Problem zu reden, und es stattdessen lösen“, sagt der 63-jährige Friseur, der im „Feeling“ häufig seinen Kaffee trinkt und dazu ein Sandwich oder ein Teilchen isst. „Was zu viel ist, ist zu viel,“ fügt er hinzu. 

Stattdessen plaudere er in seinem Lieblings-Café nun über alles Mögliche, sagt Cioacari: „Ich liebe Musik, ich bin Rockfan“. Er findet, seit Einzug des Tabus herrscht eine „sehr heitere Atmosphäre“. „Manche Kunden fanden diese Initiative sympathisch und amüsant, ich fand sie intelligent.“

Und wenn ein Gast versehentlich doch über Corona redet? „Es gibt keine Sanktionen, aber ich erinnere die Gäste daran, dass man hier nicht darüber sprechen soll. Am Anfang musste ich einige regelrecht zur Ordnung rufen“, lächelt Mattioli. „Manchen gelingt es, das Thema zu vermeiden, anderen fällt es schwerer.“ 

Im Nordosten Italiens habe sie schon Nachahmer gefunden, erzählt sie dann stolz: „Eine Café-Betreiberin in der Provinz Trient hat ähnliche Poster aufgehängt. Aber davor hat sie mich um Erlaubnis gefragt.“

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