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Die Bundeswehr beendet ihre ständige Präsenz in Kundus

Die Bundeswehr beendet ihre ständige Präsenz in Kundus

Symbolbild: Bundeswehr

Die Bundeswehr zieht die verbliebenen rund hundert deutschen Soldatinnen und Soldaten aus der afghanischen Provinz Kundus ab und verlegt sie in ihr Hauptquartier nach Masar-i-Scharif. Mit dem Abzug endet die ständige deutsche Militärpräsenz in Kundus – einem für die Bundeswehr symbolträchtigen Ort, der auch mit dem von einem deutschen Oberst angeordneten verheerenden Nato-Luftangriff vor mehr als zehn Jahren verbunden ist. 

In Kundus waren im Rahmen der Nato-Ausbildungsmission „Train, Advise, Assist“ (TAA) zuletzt noch rund hundert Bundeswehrangehörige stationiert. Sie sind für die Ausbildung und Beratung des 217. Korps der afghanischen Streitkräfte zuständig, deren Armeelager das deutsche Lager Camp Pamir umgibt. Vorgesehen sei, dass das Camp auch in Zukunft noch von der Bundeswehr genutzt werden könne, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der Nachrichtenagentur AFP. Bei entsprechendem Beratungsbedarf der afghanischen Streitkräfte würden die deutschen Berater ad-hoc von Masar-i-Scharif nach Kundus geflogen. 

Die Bundeswehr ist seit 2002 in Afghanistan. Ziel war nach den Anschlägen vom 11. September 2001 der Sturz der Taliban-Regierung, der vorgeworfen wurde, Terrororganisationen wie Al-Kaida Rückzugsmöglichkeiten geboten zu haben. Zunächst beschränkte sich das Einsatzgebiet auf die Hauptstadtregion Kabul. Nach der Ausweitung des Mandats der Internationalen Schutztruppe (Isaf) im Herbst 2003 begann der Bundeswehreinsatz in Kundus. 

In den Fokus rückte Kundus im September 2009, als dort bei einem vom deutschen Oberst Georg Klein veranlassten Nato-Luftangriff dutzende Zivilisten getötet wurden. Hintergrund war die Kaperung zweier Tanklaster durch Taliban-Kämpfer nahe dem deutschen Feldlager. Klein befürchtete, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen das Feldlager eingesetzt werden könnten. Auf Anforderung der Bundeswehr griffen US-Kampfflugzeuge die Tanklaster an. In deren Umkreis hielten sich jedoch zahlreiche Zivilisten auf. Wie viele Menschen bei dem Bombardement genau getötet wurden, ist bis heute ungeklärt. Offiziell ist von 91 Toten und elf Verletzten die Rede; unabhängige Zählungen gehen von 142 Toten aus. 

Der Luftangriff führte zu einer Regierungskrise in Berlin. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) trat Ende 2009 von seinem neuen Amt als Arbeitsminister zurück. Ihm wurde die Vertuschung brisanter Informationen vorgeworfen.

2010 kam es in Kundus zu heftigen Gefechten zwischen Bundeswehr und Taliban, bei denen drei deutsche Soldaten getötet wurden. Drei Jahre später wurde das deutsche Feldlager an die afghanischen Streitkräfte übergeben, die rund 900 dort stationierten Bundeswehr-Soldaten abgezogen. 

Erst 2018 kehrte ein kleineres Kontingent an Bundeswehr-Soldaten nach Kundus zurück. Dass auch dieses nun abgezogen wird, war laut  Einsatzführungskommando seit Monaten geplant. Grundlage sei eine Entscheidung der Führung der Nato-Operation „Resolute Support“ in Kabul. Mit den jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Nato-Einsatz in Afghanistan habe dies nichts zu tun.

Die scheidende US-Regierung von Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche angekündigt, weitere 2000 US-Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Bis Mitte Januar soll die US-Truppenstärke in dem Land am Hindukusch demnach auf 2500 reduziert werden. Bei den Nato-Verbündeten lösten die Pläne große Sorgen aus – befürchtet wird eine Stärkung der Taliban oder ein Ausbreiten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). 

Szenarien für einen Abzug aus Afghanistan hat die Bundeswehr aber schon vor Monaten entwickelt. Ein im Februar geschlossenes Abkommen zwischen den USA und den Taliban sieht den schrittweisen Abzug der internationalen Truppen bis April kommenden Jahres vor – sofern die Taliban ihrer Verpflichtung nachkommen, die Gewalt im Land deutlich zu reduzieren. Unklar ist, ob Trumps Pläne einen beschleunigten Abzug auch der Bundeswehr nötig machen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte vergangene Woche, zur Vorbereitung einer womöglich anstehenden Rückverlegung der Bundeswehr seien bereits rund hundert weitere Soldatinnen und Soldaten im Bundeswehr-Stützpunkt bei Masar-i-Scharif. 

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