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Joe Biden: „Der irischste US-Präsident seit John F. Kennedy“

Joe Biden: „Der irischste US-Präsident seit John F. Kennedy“

Joe Biden - Gage Skidmore

Im irischen Ballina feierten sie den Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl besonders laut: Nicht nur, dass Bidens Vorfahren aus dem kleinen Küstenort stammen; dem künftigen US-Präsidenten wird auch ein sehr enges Verhältnis zum Land seiner Ahnen nachgesagt. Nach vier Jahren mit Donald Trump hofft Dublin nun auf einen treuen Verbündeten im Weißen Haus – der auch im Ringen um die Zeit nach dem Brexit irische Interessen im Blick hat.

Besucht hat Biden die Heimatstadt seines Ur-Ur-Ur-Großvaters Edward Blewitt erst zweimal, doch schmückt seit Wochen ein riesiges Wandbild den westirischen Ort. Er trage den „Nordosten Pennsylvanias im Herzen“, aber „Irland in der Seele“, sagte Biden einmal.

Biden sei „immer ein treuer Freund und Unterstützer Irlands“ gewesen, sagte Irlands Ministerpräsident Micheal Martin am Samstag, als er dem 77-Jährigen als einer der ersten Staats- und Regierungschefs weltweit zum Wahlsieg gratulierte. Darüber hinaus habe Biden – „der irischste Präsident seit John F. Kennedy“ – auch dem Karfreitagsabkommen seine „anhaltende, unerschütterliche Unterstützung“ zugesagt.

Tatsächlich gilt Biden als Verfechter des Belfaster Friedensabkommens von 1998 – und als Skeptiker des britischen EU-Austritts. Anders als sein Vorgänger Trump sieht der Demokrat einen drohenden No-Deal-Brexit äußerst kritisch. Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich über ein neues Freihandelsabkommen erklärte er im September, es dürfe nicht zugelassen werden, „dass das Karfreitagsabkommen, das Frieden nach Nordirland gebracht hat, zu einem Opfer des Brexit wird“. Zuvor hatte Großbritanniens Premierminister Boris Johnson sein umstrittenes Binnenmarktgesetz vorgelegt, das mehrere Schlüsselregelungen zu Nordirland im Brexit-Vertrag aushebeln könnte.

Bidens Wahlsieg könnte in London zu einer „Denkpause“ führen und sicherstellen, „dass die Irland-Fragen“ in den Post-Brexit-Gesprächen „Priorität haben“, zeigte sich am Montag der irische Außenminister Simon Coveney zuversichtlich. Biden sei ein „wahrer Freund Irlands“, der seine Haltung zum Brexit direkt mit der Notwendigkeit verknüpft habe, „eine harte Grenze (zwischen Irland und Nordirland) zu verhindern“.

Zwar hieß es aus EU-Parlamentskreisen, ein Durchbruch in den am Montag wiederaufgenommenen Post-Brexit-Gesprächen noch in dieser Woche sei eher unwahrscheinlich. Allerdings rechneten Experten angesichts von Bidens Wahlsieg mit einer Neupositionierung der britischen Regierung in Brexit-Fragen. 

Bereits eine Woche vor dem US-Wahltermin hatte der frühere britische Schatzkanzler George Osborne im Sender CNN von einer „hektischen Umpositionierung“ von Johnsons Regierung gesprochen. Es sei nicht davon auszugehen, dass Biden „eine besondere Wärme gegenüber dieser britischen Regierung empfindet“. Diese müsse „sehr hart daran arbeiten, dies zu ändern“.

Biden und Johnson sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Nach Johnsons Sieg bei der britischen Parlamentswahl im vergangenen Dezember bezeichnete Biden den Tory-Politiker als „physischen und emotionalen Trump-Klon“. Johnson seinerseits hatte 2016 über die US-Regierung unter Barack Obama und dem damaligen Vize-Präsidenten Biden gelästert und Obama wegen seines „teilweise kenianischen“ Hintergrunds eine „angeborene Abneigung gegen das britische Imperium“ attestiert. Die Äußerungen hängen Johnson bis heute nach. Jüngst griff sie Obamas früherer Sicherheitsberater Ben Rhodes wieder auf, der einst über Johnson gesagt haben soll, dieser sei ein „Trump mit schöneren Haaren“ und höherem IQ.

Beobachter rechnen nach Bidens Amtseinführung im Januar mit einer Rückkehr zahlreicher Berater der Obama-Ära ins Weiße Haus. Wohl auch deshalb schlug Johnson nach der Ausrufung Bidens zum Wahlsieger am Wochenende rasch versöhnliche Töne an. Er freue sich darauf, „mit Biden und seinem Team an einer Reihe wichtiger Dinge“ zu arbeiten, erklärte der Premier und verwies unter anderem auf gemeinsame Positionen in den Bereichen Klimapolitik, Handel und internationale Sicherheit. „Ich denke, es gibt viel mehr, was uns verbindet als was uns trennt.“

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