US-Außenminister Pompeo verlangt Ende der Kampfhandlungen in Äthiopiens Tigray-Region

Mike Pompeo - Bild: Ron Przysucha/U.S. Department of State
Mike Pompeo - Bild: Ron Przysucha/U.S. Department of State

Die Führung der in der abtrünnigen äthiopischen Region Tigray aktiven Volksbefreiungsfront TPLF hat einem Ende des bewaffneten Konflikts mit der äthiopischen Armee eine Absage erteilt. „Solange sich diese Invasoren auf unserem Boden befinden“, wolle er weiterkämpfen, sagte TPLF-Anführer Debretsion Gebremichael der Nachrichtenagentur AFP am Montag mit Blick auf die äthiopischen Streitkräfte. Regierungschef Abiy Ahmed hatte am Samstag die Einnahme der Regionalhauptstadt Mekele verkündet und den Konflikt damit als „abgeschlossen“ bezeichnet.

Debretsion warf Abiy vor, die internationale Gemeinschaft täuschen zu wollen, indem er so tue, als sei „alles vorbei“. Dabei seien die Kämpfe am Wochenende weitergegangen. Der TPLF-Anführer bezeichnete den Rückzug seiner Kämpfer aus Mekele als taktischen Schritt, um zivile Opfer in der 500.000-Einwohner-Stadt zu verhindern. 

In Tigray gibt es bereits seit Monaten Spannungen. Die bisher dort regierende TPLF dominierte drei Jahrzehnte lang die äthiopische Politik, bevor der aktuelle äthiopische Regierungschef Abiy 2018 an die Macht kam. Die TPLF erkennt Abiy nicht an. Anfang des Monats entsandte der Regierungschef, der im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, Streitkräfte nach Tigray.

Experten gingen zu Beginn der Kämpfe davon aus, dass die TPLF rund 200.000 Kämpfer mobilisieren kann. Debretsion sagte, die TPLF verfüge über viele „erfahrene Kämpfer“ und „schwere Artillerie“. Am Montag habe es keine neuen Gefechte gegeben, er rechne aber mit erneuten Kämpfen am Dienstag. 

Abiy hatte der TPFL zuvor in einer vierstündigen Rede vor dem Parlament gedroht und einen bevorstehenden Schlag auf ihre Führung angekündigt. Ihr Aufenthaltsort westlich der Provinzhauptstadt Mekele sei bekannt und die äthiopische Armee werde bald gegen sie vorgehen, sagte Abiy. 

US-Außenminister Mike Pompeo rief Abiy auf, alle Kampfhandlungen einzustellen. Er habe während eines Telefonats mit Abiy seine Sorgen angesichts der Offensive der äthiopischen Armee geäußert und ein „vollständiges Ende der Kämpfe und einen konstruktiven Dialog zur Lösung der Krise“ gefordert, teilte Pompeos Büro mit. Die äthiopische Regierung müsse Zivilisten schützen und die Einhaltung der Menschenrechte für die Bevölkerung in Tigray sowie für alle ethnischen Gruppen gewährleisten.

Regierungschef Abiy wies Vorwürfe des TPLF-Anführers zurück, wonach es bei Luftangriffen bei der Einnahme von Mekele durch die äthiopische Armee am Wochenende viele zivile Opfer gegeben habe. „Nicht ein einziger Mensch ist durch die Operation in Mekele verletzt worden“, sagte Abiy. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte am Sonntag jedoch zahlreiche Verletzte in den Krankenhäusern in Mekele gemeldet.

Mehrere tausend Menschen sind nach Schätzungen der auf Konflikte spezialisierten International Crisis Group (ICG) bei den Kämpfen in Äthiopien bisher getötet worden. Mehr als 43.000 Menschen flohen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) aus dem Konfliktgebiet in den benachbarten Sudan. 

Abiy versprach, dass die äthiopischen Flüchtlinge bald zurückkehren könnten. Zugleich deutete er eine mögliche Beteiligung von einigen der Flüchtlinge an einem Massaker in der Stadt Mai-Kadra in Tigray an. Die regierungsnahe äthiopische Menschenrechtskommission hatte vor einer Woche einen Bericht vorgelegt, wonach die Tigrayer Jugendorganisation Samri in Mai-Kadra mindestens 600 Zivilisten auf brutale Weise getötet haben soll. Die Opfer waren demnach Saisonarbeiter und gehörten nicht der Volksgruppe der Tigray an. 

Zuvor hatte auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International unter Berufung auf Augenzeugenberichte und Bildmaterial von einem mutmaßlichen Massaker in der Stadt berichtet. Wer für den Angriff verantwortlich war, konnte die Organisation nach eigenen Angaben aber zunächst nicht herausfinden. AFP-Journalisten sprachen im Sudan mit äthiopischen Flüchtlingen, die angaben, dass äthiopische Regierungssoldaten an dem Massaker beteiligt gewesen seien.  

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