Die Corona-Pandemie könnte laut einer Studie indirekt zu einem erhöhten Sterberisiko bei Krebspatienten führen. Verzögerungen bei Therapien wie Operationen, Bestrahlung oder Chemotherapie hätten deutliche Auswirkungen auf die Sterblichkeit von Krebspatienten, legten Forscher aus Großbritannien und Kanada am Mittwoch im Fachblatt „BMJ“ dar. Sie werteten dazu 34 internationale Studien mit Patienten mit sieben besonders häufigen Krebsarten aus. Die Corona-Pandemie führt derzeit weltweit dazu, dass viele Krebstherapien aufgeschoben werden.
Bei einer Verschiebung der Behandlung stieg das Sterberisiko der untersuchten Krebspatienten im Schnitt um bis zu sechs bis 13 Prozent. Je länger sich die Therapien verzögerten, desto höher sei für die Patienten die Gefahr zu sterben, ermittelten die Studienautoren. Eine zwölfwöchige Verzögerung von OPs bei Brustkrebspatientinnen etwa führe in Großbritannien binnen eines Jahres zu 1400 und in den USA zu rund 6100 zusätzlichen Todesfällen.
Auch die Verschiebung von Operationen bei Krebs im unteren Darmbereich und anderen Krebsarten wegen der Corona-Pandemie um zehn bis zwölf Wochen sei in Großbritannien zu Unrecht als risikolos eingeschätzt worden, schrieben die Wissenschaftler. Tatsächlich erhöhe sich das Sterberisiko bei den Patienten mit Krebs im unteren Darm dadurch um rund 20 Prozent. Bei ähnlichen Verzögerungen bei der Chemotherapie bei Patienten mit Krebs in anderen Teilen des Darms steige das Sterberisiko sogar um 44 Prozent.
Bislang habe es „keinen systematischen Versuch“ gegeben, alle Informationen über die Wirkung von Therapie-Verzögerungen auf Krebspatienten zusammenzutragen, erklärte der an der Studie beteiligte Onkologe Ajay Aggarwal von der London School of Hygiene and Tropical Medicine. „Weil wir wissen, dass das Krebspatienten während der Covid-19-Pandemie passiert, ist es essenziell, die wirklichen Auswirkungen zu verstehen.“ Die nun veröffentlichte Studie habe ergeben, dass es „für die Mehrheit der wichtigen Krebsarten und -behandlungen keine ’sichere‘ Behandlungsverschiebung“ gebe, hob Aggarwal hervor.
Der nicht an der Studie beteiligte Onkologe Justin Stebbing vom Londoner Imperial College kommentierte die Studie mit der Mahnung, die Risiken von Corona-Infektionen müssten gegen die bei der Verschiebung von Behandlungen anderer Krankheiten wie Krebs abgewogen werden. Es handele sich um eine „sehr komplexe, sich entwickelnde und schwierige Situation“, schrieb Stebbing in seiner Stellungnahme für die Organisation Science Media Centre.
Wegen der Corona-Pandemie verschieben Krankenhäuser in aller Welt und auch hierzulande Operationen und andere Behandlungen, um Betten für Covid-19-Patienten freizuhalten und das Risiko einer Verbreitung des neuartigen Coronavirus zu verringern. Offenbar hält die Angst vor Covid-19 viele Menschen zusätzlich vom Arztbesuch ab. Eine im August im Fachblatt „Jama Network Open“ veröffentlichte Studie ergab, dass in den USA die Zahl der wöchentlichen Krebsdiagnosen im März und April um fast 50 Prozent sank.
Studien belegen außerdem, dass weniger Menschen wegen gesundheitlicher Probleme wie Herzinfarkten und Schlaganfällen die Notaufnahmen aufsuchen. Gesundheitsexperten in aller Welt warnen außerdem vor Rückschritten im Kampf gegen HIV, Malaria und Tuberkulose wegen der Corona-Pandemie.