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Martin Semmelrogge – sich selbst angeblich ein ewiges Rätsel

Martin Semmelrogge – sich selbst angeblich ein ewiges Rätsel

Martin Semmelrogge - Bild: Frank Schwichtenberg / CC BY-SA

Immerhin vier Millionen Zuschauer schalteten ein, als Martin Semmelrogge am Dienstag einmal wieder im Fernsehen zu sehen war. In der ARD-Serie „Falk“ spielte er den etwas irren Rechtsanwalt Blankenstein, womit die Rolle für den auf skurrile Gestalten abonnierten Schauspieler prädestiniert schien. „Der ganze Job ist magic oder ist ein Mysterium“, sagt Semmelrogge, der am Dienstag 65 Jahre alt wird, über seinen Beruf.

Semmelrogge geht es nach Jahren der Drogen- und Alkoholexzesse momentan erkennbar gut. Als Rechtsanwalt Blankenstein sah er sogar fast jünger aus als in einer mehr als 20 Jahre zurückliegenden anderen Rolle, in der er vermutlich unvergessen bleibt: Im Jahr 1999 spielte Semmelrogge in dem Ruhrgebiets-Überraschungserfolg „Bang Boom Bang“ den etwas verschlagenen Kleinganoven Schlucke. Unter Fans des Films häufig zitierter Satz: „Bin ja grad selbst was am Planen dran.“

Der am 8. Dezember 1955 im baden-württembergischen Boll-Eckwälden geborene Semmelrogge spielte viele Rollen, in denen Fans bei der Erinnerung an einen Film vor allen anderen Darstellern zuerst an sein Gesicht und vor allem seine knarzige, unverwechselbare Stimme denken. Diese setzt Semmelrogge auch erfolgreich als Synchronsprecher ein, dazu spricht er Hörbücher, und spielt seit einigen Jahren erfolgreich Theater. Allerdings denkt fast jeder bei ihm auch an Polizei und Gefängnis – mehr als 30 Mal stand Semmelrogge vor Gericht, meist wegen Verkehrsdelikten.

Die Fähigkeit zur Schauspielkunst bekam der Junior von seinem Vater Willy mit. Der 1984 verstorbene Willy Semmelrogge gehörte selbst zu den bekanntesten Schauspielern in Deutschland. Auch einen gemeinsamen Filmerfolg hatten Vater und Sohn: In dem 1977 erschienenen „Die Vorstadtkrokodile“ spielte der alte Semmelrogge den Besitzer eines Minigolfplatzes, während der Junior als Einbrecher eine Nebenrolle hatte. Als „Die Vorstadtkrokodile“ 2008 neu verfilmt wurden, spielte der Junior die Rolle des Vaters aus der ursprünglichen Verfilmung.

In den Jahren zwischen den beiden Verfilmungen erlebte Martin Semmelrogge beruflich und privat alle Höhen und Tiefen. Neben seiner allmählichen Festlegung auf den Bösewicht in Krimireihen wie „Derrick“, „Der Alte“ oder „Tatort“ erlebte er 1981 den größten Erfolg mit der Buchheim-Verfilmung „Das Boot“. Schnoddrig und mit Galgenhumor wurde er die ideale Besetzung für den zweiten Wachoffizier.

Während ein Jürgen Prochnow oder Uwe Ochsenknecht viel Honig für ihre weitere Karriere aus dem internationalen Filmerfolg saugen konnten, kam Semmelrogge praktisch nicht über der Rolle der Seriennebenfigur hinaus. Dies dürfte vor allem an seinen Exzessen liegen, die ihm beruflich ein Hindernis wurden.

So landete Semmelrogge 1982 wegen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad inklusive Polizistenbeleidigung ausgerechnet zu einer Zeit das erste Mal im Gefängnis, als „Das Boot“ in aller Munde war. Ins Gefängnis kam er, weil sein Sündenregister schon vorher lang gewesen war.

Mit 14 Jahren war Semmelrogge das erste Mal beim Autofahren erwischt worden. „Sie werde ich mit Sicherheit vor Gericht wiedersehen“, habe ihm als Jugendlicher damals der Richter mit auf den Weg gegeben.

Befeuert wurden die Skandale durch seine Süchte. Den in den 70er Jahren begonnenen Konsum harter Drogen überwand Semmelrogge noch selbst. Nach „Bang Boom Bang“ ließ er sich zur Behandlung seines Alkoholismus im Jahr 2000 in eine Entzugsklinik einliefern. Seither wurden die Skandale weniger, sind aber nicht ganz vorbei. 2013 war er zuletzt im Gefängnis, erneut wegen eines Verkehrsdelikts.

Warum er immer wieder so etwas machte, kann sich der seit Jahren auf Mallorca lebende Schauspieler angeblich selbst nicht erklären. „Mir selbst auf ewig ein Rätsel“, nannte Semmelrogge seine im Juli erschienene zweite Biografie.

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