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Gehe direkt ins Gefängnis – oder auch nicht: Nawalny fordert Kreml mit seiner Rückkehr nach Moskau heraus

Gehe direkt ins Gefängnis – oder auch nicht: Nawalny fordert Kreml mit seiner Rückkehr nach Moskau heraus

Alexej Nawalny - Bild: Evgeny Feldman / CC BY-SA

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist immer für eine Provokation gut. Dass er nach dem Giftanschlag auf ihn völlig überraschen verkündete, am Sonntag nach Moskau zurückzukehren, hat den Kreml kalt erwischt. Die politische Führung Russlands steht nun vor der Frage, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen soll. 

Mit dem symbolischen Comeback seines größten Widersachers auf die politische Bühne steht Kremlchef Wladimir Putin vor einer schwierigen Entscheidung: Lässt er Nawalny einfach zurückkehren und unternimmt nichts, könnte ihm das als Schwäche ausgelegt werden. Lässt er ihn aber verhaften und für längere Zeit einsperren, würde der Fall international weiterhin für großes Aufsehen sorgen.

„Es gibt keine gute Entscheidung, aber irgendeine Entscheidung muss fallen“, sagt die Politologin Tatjana Stanowaja der Nachrichtenagentur AFP. Nach Einschätzung anderer Experten hat der 44-jährige Putin-Kritiker mit seiner Rückkehr-Ankündigung dem 68-jährigen Kremlchef den Fehdehandschuh direkt vor die Füße geschmissen. Da klingt es schon fast wie Absicht, dass er mit einer russischen Billigfluggesellschaft zurückkehren will, die übersetzt „Sieg“ heißt.

Nawalny hatte im August in Sibirien nur knapp einen Mordanschlag mit einem Nervengift aus der russischen Kampfstoffgruppe Nowitschok überlebt. Er wurde nach wenigen Tagen nach Deutschland ausgeflogen und in der Berliner Charité-Klinik behandelt, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihn am Krankenbett besuchte. Seither blieb er zur weiteren Erholung in Deutschland.

Nawalny wirft dem russischen Geheimdienst vor, hinter seiner Vergiftung zu stecken. Als Auftraggeber sieht er seinen Intimfeind Putin persönlich. Die russische Regierung bestreitet dagegen jede Beteiligung an dem Anschlag. Bisher hat sie nicht einmal Strafermittlungen aufgenommen.

Stattdessen lässt sie nun wieder gegen Nawalny ermitteln: Seit Dezember läuft eine Untersuchung wegen angeblicher Veruntreuung von Spendengeldern in Höhe von vier Millionen Euro; zudem droht die Strafverfolgungsbehörde (FSIN) mit Nawalnys Verhaftung wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen in einem anderen Fall aus dem Jahr 2013.

„Sie wollten nicht, dass er zurückkehrt“, sagt der politische Beobachter Anton Orech mit Blick auf den Kreml. „Jetzt sind die Jungs in Panik.“ Ähnlich sieht es auch Nawalny: „Ich habe überlebt. Und jetzt sagt Putin, der meine Ermordung angeordnet hat, seinen Dienern, dass sie alles tun sollen, damit ich nicht zurückkehre“, erklärte er am Mittwoch.

Laut Stanowaja könnten die Behörden als dritten Ausweg versuchen, Nawalny politisch auszubremsen, indem sie ihn wegen finanzieller Unterstützung aus dem Ausland auf die Liste der „ausländischen Agenten“ setzen. Dies sei jedoch angesichts der im September anstehenden Parlamentswahl und Putins sinkender Popularität ein riskantes Spiel. 

Sie habe zudem das Gefühl, „dass der Kreml dieser Spielchen überdrüssig ist“: „Die Konfrontation mit Nawalny dauert schon zu lange.“

Zwar sind Nawalnys Videos, in denen er die Korruption und das Luxusleben der russischen Eliten bloßstellt, ausgesprochen populär. Doch wie viele Russen den 44-Jährigen nach jahrelanger Schmähkritik durch die Staatsmedien tatsächlich unterstützen, ist unklar. In einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums befürworteten nur 20 Prozent Nawalnys Aktionen. 50 Prozent missbilligten sie, und der Rest hatte keine Meinung oder noch nie von ihm gehört.

Nawalny will am Sonntagabend am Moskauer Flughafen Wnukowo landen und rief seine Unterstützer dazu auf, ihn dort „abzuholen“. Laut Facebook planen 1900 Menschen, tatsächlich zu kommen. 

„Dies ist eine starke Geste, egal was danach geschieht“, sagt der politische Kommentator Sergej Medwedew. Mit ihr höre die russische Politik auf, „nicht-existent“ zu sein. Gleichzeitig gebe sie Nawalny die Gelegenheit zu zeigen, ob er tatsächlich das Zeug zu einem historischen Reformer habe. „Der Countdown hat begonnen“.

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