Nur wenige Stunden nach seiner Vereidigung hat der neue US-Präsident Joe Biden seine radikale Abkehr vom Kurs seines Vorgängers Donald Trump eingeleitet. Kurz nach seiner Ankunft im Weißen Haus unterzeichnete Biden am Mittwoch mehrere Dekrete, darunter zur Rückkehr der USA in das Pariser Klimaschutzabkommen, zur Aufhebung der Einreiseverbote für Menschen aus mehreren mehrheitlich muslimischen Ländern und zum Stopp des Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko.
Biden versprach einen entschlossenen Kampf gegen die Erderwärmung: „Wir werden den Klimawandel auf eine Weise bekämpfen, wie wir es bislang noch nicht gemacht haben.“ Trump hatte den von Menschen verursachten Klimawandel angezweifelt und sein Land aus dem Pariser Abkommen von 2015 hinausgeführt. Der Wiedereinstieg der USA tritt 30 Tage nach Eingang des Biden-Schreibens bei den Vereinten Nationen in Kraft.
UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte Bidens Entscheidung zur US-Rückkehr in das Pariser Abkommen „herzlich“. Er forderte den neuen US-Präsidenten zugleich auf, „ehrgeizige“ Zielmarken für die Reduktion des Treibhausgasausstoßes und die Finanzierung von Maßnahmen gegen den Klimawandel festzusetzen. Biden will darauf hinarbeiten, dass die USA bis spätestens 2050 klimaneutral wirtschaften.
Biden unterzeichnete im Oval Office auch ein Dekret zur Wiederaufnahme der US-Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Trump hatte den Ausstieg seines Landes aus der Organisation eingeleitet, der er vorwarf, unter dem Einfluss Chinas zu stehen und Informationen zur Corona-Pandemie zurückzuhalten.
Kurz nach Bidens Einzug in das Weiße Haus bestätigte der Senat auch das erste von ihm nominierte Regierungsmitglied. Die Kongresskammer genehmigte die Ernennung der neuen Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines mit breiter Mehrheit.
Biden übernimmt das mächtigste Amt der Welt in beispiellosen Krisenzeiten. Die USA sind das Land mit der höchsten Corona-Opferzahl weltweit und befinden sich in einer verheerenden Wirtschaftskrise. Die Wall Street reagierte mit einem neuen Rekordhoch auf Bidens Amtsantritt.
In seiner Antrittsrede hatte Biden an seine Landsleute einen eindringlichen Aufruf zur Einheit gerichtet. Er wolle das Land mit seiner „ganzen Seele“ zusammenbringen und „die Menschen vereinen“, sagte der 78-jährige Demokrat nach seiner Vereidigung vor dem Kapitol, dem vor zwei Wochen von Trump-Anhängern gewaltsam gestürmten Sitz des US-Kongresses.
Unter Trump hatten sich die politischen Spaltungen im Land drastisch verschärft. Diese Spannungen hatte Trump seit der Präsidentschaftswahl im November mit seiner völlig unbelegten Behauptung weiter angeheizt, er sei durch Betrügereien um den Sieg gebracht worden.
Wegen der Ausschreitungen am 6. Januar herrschten drakonische Sicherheitsvorkehrungen zur Amtseinführung, auch wegen der Corona-Pandemie waren die sonst üblichen Menschenmassen zur Vereidigung nicht zugelassen. Das Kapitol war weiträumig abgesperrt, 25.000 Nationalgardisten waren in Washington im Einsatz. Die Behörden riegelten zudem den Grünstreifen zwischen Kapitol und Lincoln Memorial ab, auf dem sich bei Amtseinführungen von Präsidenten für gewöhnlich hunderttausende Menschen versammeln.
Neben Biden legte auch seine Stellvertreterin Kamala Harris ihren Amtseid ab. Sie ist die erste Frau und erste Afroamerikanerin im Amt der US-Vizepräsidentin. Der 46. Präsident und seine Stellvertreterin besuchten nach ihrer Vereidigung den Nationalfriedhof Arlington, um der gefallenen US-Soldaten zu gedenken.
Danach wurde Biden in einer Wagenkolonne zurück in die Hauptstadt gefahren. Im Weißen Haus fand Biden dann nach seinen Angaben einen „sehr wohlwollenden“ Brief Trumps vor. Konkret zum Inhalt des Schreibens wollte sich der neue Präsident aber nicht äußern.
Trump war als erster US-Präsident seit mehr als 150 Jahren der Vereidigung seines Nachfolgers ferngeblieben. Der Republikaner reiste mit seiner Ehefrau Melania mit der Präsidentenmaschine Air Force One zu seinem Luxusressort Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida. Mit Trump trat der umstrittenste US-Präsident der vergangenen Jahrzehnte ab. Infolge der Kapitol-Erstürmung sieht er sich wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ mit einem Amtsenthebungsverfahren konfrontiert.