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Serum Institute of India: Von der Pferdezucht zur größten Impfstoffproduktion der Welt

Serum Institute of India: Von der Pferdezucht zur größten Impfstoffproduktion der Welt

Impfstoff-Herstellung - Bild: SteveAllenPhoto via Twenty20

Auf dem Gelände des Serum Institute herrscht hektische Betriebsamkeit. Hier im westindischen Pune sitzt der größte Impfstoffproduzent der Welt – unter Hochdruck werden unter anderem für Indien und viele Entwicklungsländer Millionen Dosen des von AstraZeneca und der Universität Oxford entwickelten Impfstoffs „Covishield“ hergestellt, der am Freitag auch in der EU zugelassen wurde. Im Gegensatz zum Impfstoff von Pfizer/Biontech kann Covishield bei normaler Kühlung gelagert und transportiert werden. Zudem ist das Vakzin deutlich günstiger und damit besser geeignet für ärmere Länder mit weniger gut ausgebauter Infrastruktur.

Schon vor der Pandemie war das 1966 im westindischen Pune gegründete Serum Institute weltweit führend bei Impfstoffen, produzierte 1,5 Milliarden Dosen jährlich. Mit den dort hergestellten Vakzinen wurden zwei von drei Kindern in 170 Ländern gegen Krankheiten wie Kinderlähmung, Mumps, Meningitis und Masern immunisiert.

Die Geschichte des Unternehmens begann mit einem Gestüt, wo die Eigentümerfamilie Poonawalla ab 1946 Pferde züchtete. Ein Tierarzt brachte sie auf die Idee, ein aus Pferden gewonnenes Antitoxin-Serum zur Herstellung von Impfstoffen zu verwenden. Dank seiner billigen und wirksamen Medikamente wurde das Serum Institute zum Marktführer und das Unternehmen expandierte in schwindelerregendem Tempo.

Vorstandschef Adar Poonawalla investierte in den vergangenen Jahren fast eine Milliarde Dollar in das weitläufige Firmengelände in Pune. Als sich das Coronavirus zur Pandemie entwickelte, war das Unternehmen schuldenfrei und hatte mit einem Jahresumsatz von mehr als 800 Millionen Dollar (660 Millionen Euro) 2019/2020 beste Voraussetzungen zur Impfstoffproduktion im großen Stil.

Auf dem palmengesäumten Gelände erinnern Ziersträucher in Pferdeform an die Anfänge. In mehreren Hallen werden die Medikamente hergestellt und auf Qualität geprüft, bevor sie in sterilen Fläschchen zur Auslieferung gelagert werden.

Von Brasilien bis Südafrika stürzen sich nun Regierungen auf den AstraZeneca-Impfstoff aus Pune. Poonawalla versprach, 50 Prozent seiner „Covishield“-Produktion für den indischen Markt zu reservieren. Gleichzeitig plant Neu Delhi, das bis Juli 300 Millionen Menschen gegen Corona immunisieren will, 20 Millionen Dosen Impfstoff an seine südasiatischen Nachbarn zu liefern. Zudem möchte das Serum Institute 200 Millionen Dosen an Covax liefern, ein von der Weltgesundheitsorganisation unterstütztes Projekt zur gerechten Verteilung des Impfstoffs an arme Länder.

Die Geschäftsleitung gibt sich angesichts der enormen Lieferverpflichtungen gelassen. „Wir sind diese Art von Druck gewöhnt, den auch in der Vergangenheit gab es Situationen, in denen wir die Produktion erhöhen mussten, um den Anforderungen einzelner Länder gerecht zu werden“, sagt Geschäftsführer Suresh Jadhav.

Sogar ein Brand auf einer Baustelle des Firmengeländes vor eineinhalb Wochen mit fünf Toten konnte die Unternehmer nicht erschüttern. Der 40-jährige Poonawalla twitterte prompt: „Es wird keine Produktionsausfälle bei #Covishield geben, weil ich viele Produktionsstätten für solche Eventualitäten in Reserve gehalten habe.“

Die Pandemie hat Poonawallas Image verändert. War er früher als Jetset-Milliardär für seinen exklusiven Geschmack bei Autos und Kunst bekannt, so wird er jetzt als Pharma-Tycoon für seine Risikobereitschaft und sein Engagement für bezahlbare Impfstoffe gelobt.

Im Juli kritisierte der zweifache Vater sogar den Impfgegner und US-Rapper Kanye West für die Verbreitung von Verschwörungstheorien: „Obwohl wir Ihre Musik sehr schätzen, @KanyeWest, scheinen Ihre Ansichten zu Impfstoffen unverantwortlich und grenzwertig gefährlich in Anbetracht des Einflusses, den Sie heute haben und vielleicht in Zukunft haben werden“, twitterte Poonawalla im Juli. „Impfstoffe retten Leben.“

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