Sie rennen mit Gekreisch in die Fluten oder setzen sich still ins eiskalte Nass: Zahlreiche Menschen zieht es derzeit zum Eisbaden an die Seen. Das Bad in kalten Wasser kann den Körper widerstandsfähiger etwa gegen Infektionen machen, der Kältekick ist jedoch nicht für jedermann geeignet. Fragen und Antworten:
WAS PASSIERT IM KÖRPER?
Beim Eintauchen in das eiskalte Nass schüttet der Körper Stresshormone aus. „Die Gefäße verengen sich, Blutdruck und Puls steigen an, und die Atemfrequenz erhöht sich“, erklärt der Sportkardiologe Martin Halle vom Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Winterschwimmer oder Eisbader sehen das eher als positive Stressreaktion und berichten über ein euphorisches Gefühl nach dem Bad. Die Haut wird zudem stärker durchblutet und erzeugt ein angenehmes Wärmegefühl.
WIE BEREITEN SICH WINTERBADER AM BESTEN VOR?
Halle, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin ist, empfiehlt zunächst regelmäßige Wechselduschen zu Hause und eine stufenweise Eingewöhnung, um den Körper auf das eiskalte Wasser vorzubereiten. So trainieren sich zum Beispiel Wildwasserfahrer und Kanuten, die beim Sport auch hin und wieder in eiskaltes Wasser eintauchen. Eisbader sollten sich vorher auf jeden Fall medizinisch untersuchen lassen, um vor allem Herzerkrankungen auszuschließen.
IST EIN SPRUNG INS EISKALTE WASSER ZU EMPFEHLEN?
Nein, davon ist abzuraten. Denn das schnelle Eintauchen erhöht die Gefahr eines Kälteschocks. Der Körper reagiert laut Halle mit einem unfreiwilligen Atemzug, gefolgt von Hyperventilation. Der Betroffene atmet übermäßig schnell und tief. Die Auswirkungen eines Kälteschocks sind umso heftiger, je größer die Temperaturdifferenz zwischen Wasser- und Körpertemperatur ist – und reichen bis zum Herzstillstand.
Nach Angaben der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) treten in diesem Fall zwei Reflexe auf. Durch das komplette Eintauchen ins Wasser verlangsamt sich der Puls, und die Atmung wird angehalten. Das nennt man auch Tauchreflex. Auf der anderen Seite reagiert der Körper auf das eiskalte Wasser mit einem plötzlichen Anstieg der Atemfrequenz, Blutdruck und Herzfrequenz steigen. Die DLRG spricht von einem gleichzeitigen Treten von Gas- und Bremspedal des Kreislaufs, es kommt zum Herzversagen.
WER SOLLTE AUF WINTERBADEN VERZICHTEN?
Für Menschen mit Herzkreislaufproblemen, Bluthochdruck oder Diabetes kann das Eisbaden gefährlich sein. Es kann zum Beispiel zu einer Herzrhythmusstörung führen. Experten raten dringend, niemals allein ins Wasser zu gehen, so dass im Notfall jemand helfen oder Hilfe holen kann. Außerdem sollten Eisbader generell nicht zu lange im kalten Nass bleiben, um die Gefahr des Unterkühlens zu reduzieren.
STÄRKT KALTES WASSER TATSÄCHLICH WOHLBEFINDEN UND IMMUNABWEHR?
Kurzzeitige Kaltanwendungen trainieren dem Kneipp-Bund zufolge die Blutgefäße und wirken durchblutungsfördernd. Dem Sportkardiologen Halle zufolge wurde in mehreren Studien eine positive Wirkung auf das Herzkreislaufsystem beschrieben. Kaltwasserschwimmen scheint demnach einen positiven Einfluss auf Risikofaktoren wie etwa Cholesterinwerte oder den Blutdruck zu haben.
Hinsichtlich der Immunabwehr zeigten zudem Studien, dass ein kaltes Bad die Menge an Lymphozyten und Monozyten erhöht – das sind die Blutkörperchen, die für die spezifische Immunreaktion gegen Viren und Bakterien verantwortlich sind. Halle zufolge „mehren sich die Belege, dass Winterschwimmer widerstandsfähiger gegen bestimmte Krankheiten und Infektionen sind und seltener und milder an ihnen erkranken“.
UND WER WENIGER HARTGESOTTEN IST?
Weniger spektakulär als das Eisbaden, aber auf Dauer gesundheitsfördernd sind dem Kneipp-Bund zufolge regelmäßige Kälteanreize wie ein Knieguss oder das Abduschen der Unterschenkel mit kaltem Leitungswasser.