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Breitbeinig in Bus und Bahn – Kampagne gegen raumgreifende Männer in Berlin

Breitbeinig in Bus und Bahn – Kampagne gegen raumgreifende Männer in Berlin

Manspreading - Bild: altville via Twenty20

Ein Mann sitzt breitbeinig in einem Berliner Zug, er blockiert zwei Sitze, die Menschen in seiner Umgebung scheinen ihm völlig egal zu sein. Bis die zwei Frauen, die ihm gegenüber sitzen, plötzlich ihre Beine spreizen und einen Schriftzug auf der Innenseite ihrer Hosen offenbaren: „Stop Spreading“ lautet ihre Botschaft – zu Deutsch „Hör auf, Dich breit zu machen“.

Die feministischen Aktivistinnen Elena Buscaino und Mina Bonakdar haben dem sogenannten Manspreading den Kampf angesagt. Dabei handelt es sich um die Angewohnheit einiger Männer, im öffentlichen Nahverkehr auch ihre Nebensitze durch breitbeiniges Sitzen für sich in Anspruch zu nehmen – und das meist ohne jede Rücksicht auf Nebenmann oder Nebenfrau.

„Es ist absolut möglich, in Verkehrsmitteln bequem zu sitzen, ohne zwei Sitze einzunehmen, indem man die Beine spreizt“, sagte die 25-jährige Bonakdar. Die provokative Aktion der beiden feministischen Aktivistinnen ist Teil einer breit angelegten Initiative unter dem Namen „Riot Pant Project“. Die Idee der Kampagne ist es, Slogans in den Schritt von Second-Hand-Hosen zu drucken, um so auf das Problem des Manspreadings aufmerksam zu machen.

Die Initiative starteten die beiden Designstudierenden Bonakdar und Buscaino, um Frauen und Angehörigen der LGBTQ-Community dabei zu helfen, öffentlichen Raum, der oft von Männern in Anspruch genommen wird, für sich zurück zu erobern.

„Erst durch die Nachahmung versteht der Andere die Wirkung seines Verhaltens“, sagte Buscaino. Sie gibt allerdings zu, dass nur sehr wenige Männer ihr Verhalten sofort ändern. „Sie sind oft erstaunt, dass Frauen so vor ihnen stehen können“, sagt die 26-Jährige.

Buscaino hofft zugleich, dass das Projekt Männern wenigstens zu denken gibt. Ihre Mitaktivistin Bonakdar ist überzeugt, dass allein das Tragen der Hosen mit den Slogans dazu führt, dass Frauen „sich stärker fühlen und Selbstvertrauen gewinnen“.

Das Problem des Manspreadings gibt es schon seit Beginn des öffentlichen Nahverkehrs. „Sitzen Sie mit geraden Gliedmaßen und halten Sie ihre Beine nicht in einem Winkel von 45 Grad, womit sie den Platz von zwei Personen beanspruchen würden“, schrieb die Times of London bereits im Jahr 1836 in einem Artikel über gutes Benehmen im Bus, wie der Autor Clive D.W. Feather in seinem Buch „The History of Bakerloo Line“ schreibt.

Der Begriff des Manspreadings stammt aus dem Jahr 2013. Damals begannen Menschen in New York City in den sozialen Medien Fotos zu teilen, auf denen breitbeinig sitzende Männer und ihre gequält wirkenden Mitreisenden zu sehen waren.

Die US-Metropole war auch eine der ersten Städte, die versuchte, dem Verhalten einen Riegel vorzuschieben. Im Jahr 2014 startete der New Yorker Nahverkehrsbetrieb eine Kampagne dagegen. Ähnliche Kampagnen gab es seitdem in Südkorea, Japan oder Istanbul. In Madrid kann seit 2017 für Manspreading sogar eine Strafe fällig werden.

Der Widerspruch im Internet ließ nicht auf sich warten. Männer führten biologische Unterschiede an, um ihren erhöhten Platzbedarf und das Bedürfnis nach breitbeinigem Sitzen zu rechtfertigen. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es nicht.

Das Phänomen hat stattdessen wohl mehr mit Geschlechterrollen in der Gesellschaft zu tun, sagt Bettina Hannover, Psychologin von der Freien Universität Berlin, der Nachrichtenagentur AFP. „Männer sitzen stärker besitzergreifend und signalisieren mit ihrer Sitzposition Dominanz, während von Frauen erwartet wird, dass sie weniger Raum in Anspruch nehmen – und vor allem, dass sie sich zurückhaltend verhalten.“

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