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Das Erzbistum Köln steht vor einer Woche der Wahrheit

Das Erzbistum Köln steht vor einer Woche der Wahrheit

Kölner Dom

Das Erzbistum Köln hat mit seiner schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals für die größte Krise der katholischen Kirche in Deutschland in den vergangenen Jahren gesorgt. Am kommenden Donnerstag nun soll mit der Veröffentlichung eines unabhängigen Gutachtens die Affäre endlich zu ihrem Ende kommen. Der in der Dauerkritik stehende Kardinal Rainer Maria Woelki kündigte vorab unmissverständlich an, etwaige Verantwortliche von ihren Aufgaben zu entbinden – sich selbst stellt er auch zur Disposition.

Der 18. März, an dem der von Woelki beauftragte Strafrechtler Björn Gercke sein Gutachten zum Aufarbeitungsprozess vorstellen soll, wird ein Schlüsseldatum. Ab diesem Tag sollen endlich klar Namen benannt werden bei der Suche nach Verantwortlichen für sexuellen Missbrauch im größten deutschen Bistum. 

Am Donnerstag soll zunächst Gercke sein Gutachten vorstellen. In den folgenden Tagen will Woelki die Ergebnisse dann zusammen mit Gercke in den Kölner Gremien diskutieren. Am 23. März, also fünf Tage nach der Vorstellung des Gutachtens, will der Kardinal etwaige Konsequenzen benennen. 

Bereits im Vorfeld wurde bekannt, dass der Gutachter rund 200 Beschuldigte – Priester und Laien – sowie etwa 300 Opfer feststellte und damit mehr als doppelt so viele wie bisher angenommen. In der „Rheinischen Post“ sprach Gercke zudem davon, dass es in „etlichen Fällen“ Pflichtverletzungen von Verantwortungsträgern bis hin zur obersten Ebene gegeben habe.

Sobald deren Namen veröffentlicht sind, steht Kardinal Woelki unter dem Druck zu beweisen, dass er es ernst meint mit einem an die Katholiken seines Bistums gerichteten geistlichen Wort. Dieses überschrieb er mit Blick auf den 18. März mit dem Satz: „Die Wahrheit befreit uns.“

Woelki verband dies mit konkreten Ankündigungen. Mit der Untersuchung würden Verantwortlichkeiten klar benannt. „Und dann wird auch sofort die Frage im Raum stehen, welche Konsequenzen gezogen werden.“ Er werde die im Gutachten benannten Menschen, wenn es nötig sei, „vorläufig von ihren Aufgaben entbinden“.

Der Kardinal selbst dürfte entscheiden, ab wann eine Entbindung nötig ist. Für sich selbst will Woelki keine Ausnahme machen. „Sofern es mich betrifft, habe ich bereits erklärt, dass ich mich den Ergebnissen der Untersuchung stellen werde“, sagte der 64-Jährige. Dazu sagte er einen Satz, der Sprengkraft für die katholische Kirche in ganz Deutschland birgt: „Dasselbe erwarte ich aber auch von anderen.“

Dieser Satz lässt sich nur deuten, er könnte zwei Richtungen haben. Konkret könnte er auf den Hamburger Erzbischof Stefan Heße zielen, der in Köln lange Personalchef war und gegen den es Vertuschungsvorwürfe gibt. Heße wies die Vorwürfe bisher immer zurück.

Woelki könnte aber auch ganz generell die Bischofskonferenz meinen, aus der er scharf kritisiert wurde. „Christ und Welt“, eine Beilage der Wochenzeitung „Die Zeit“, berichtete gerade, dass der wegen der verweigerten Veröffentlichung eines schon vor einem Jahr geplanten ersten Gutachtens viel kritisierte Woelki mit der Vorlage des neuen Gutachtens schneller und schonungsloser aufkläre als die sechs anderen deutschen Erzbistümer.

In den Erzbistümern Berlin, München, Freiburg, Paderborn, Bamberg und Hamburg sei die Aufarbeitung noch nicht so weit, schrieb „Christ und Welt“. Der gescholtene Woelki könnte mit den von ihm angekündigten Konsequenzen also nun einen Standard setzen – sollte er wirklich wie von vielen gefordert zurücktreten, müssten womöglich auch noch andere katholische Bischöfe absehbar ihre Stühle räumen.

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