Der Virologe Christian Drosten hat vor den Beratungen der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor steigenden Infektionszahlen bei Lockerungen der Corona-Maßnahmen gewarnt. Drosten sagte am Dienstag im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“, es sei aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Überlegungen berechtigt, Maßnahmen zurückzunehmen. „Nur muss man eben auch ganz neutral sagen, was dann auch passieren wird. Es wird passieren, dass dann die Inzidenz wieder steigt.“
Der Chefvirologe der Berliner Charité verwies dabei auf eine Modellierung der Intensivmediziner, die eine Verlängerung des Lockdowns bis mindestens 1. April gefordert hatten, da ansonsten eine schwer beherrschbare dritte Corona-Welle drohe. Die für die Berechnungen genutzten Annahmen halte er „für sehr realistisch“, sagte er.
Drosten kritisierte zugleich das derzeitige staatliche Vorgehen bei den Impfungen. Er habe das Gefühl, „dass da ein deutscher Perfektionismus entstanden“ sei. Er rief dazu auf, dringend die Hausärzte und Betriebsärzte beim Impfen mit einzubeziehen.
„Man kennt seine Pappenheimer als Hausarzt“, sagte Drosten. Die Hausärzte wüssten etwa, wer bevorzugt geimpft werden sollte oder auch wer zu einer Impfung bereit sei. Auch die Betriebsärzte wüssten genau, wen sie etwa innerhalb der Belegschaft bevorzugt gegen Grippe impfen lassen würden. „Dieser menschliche Faktor wird im Moment nicht genutzt“, sagte der Virologe.
Drosten verwies beim Umgang mit Impfungen auf das Vorgehen in anderen Ländern. In den USA sei die Aufbewahrung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer mittlerweile bereits für Minus 20 Grad zugelassen, während es in Europa noch Minus 80 Grad seien. „Das öffnet viel besser den Zugang, dass Biontech in Hausarztpraxen verimpft werden kann,“ sagte er zu den Regelungen in den USA.
Außerdem sollte bald begonnen werden, den Biontech-Impfstoff mit einem möglichst großen Abstand zwischen der ersten und zweiten Dosis zu verimpfen, forderte Drosten. Er verwies auf Großbritannien, wo die politische Maßgabe gelautet habe, „möglichst viele Leute, möglichst schnell“ zu impfen. Dazu hätten sich die Verantwortlichen auch über die behördliche Zulassung beim Biontech-Impfstoff hinweggesetzt und die zeitliche Distanz zwischen der ersten und zweiten Dosis der Impfung verlängert.
Ziel in England sei, möglichst vielen Menschen eine erste Impfdosis zu geben und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coroanvirus zu verringern, sagte Drosten. Er sei im Fall Deutschlands dafür, dass im zweiten Quartal der empfohlene zeitliche Abstand zwischen den zwei Impfungen möglichst maximal ausgeschöpft werde.