Auf die Redaktion der unabhängigen russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ in Moskau ist nach Angaben des Chefredakteurs ein Anschlag mit einer chemischen Substanz verübt worden. Der Eingang des Gebäudes sei am Morgen Ziel einer „chemischen Attacke“ gewesen, teilte Dmitri Muratow am Montag mit. Die Strafverfolgungsbehörden untersuchten die Substanz derzeit. Es gebe einen beißenden Geruch. „Wir können uns nicht zwischen den Etagen bewegen oder auf die Straße gehen“, sagte Muratow. Die chemische Substanz werde von den Sicherheitskräften untersucht, unter anderem vom Inlandsgeheimdienst FSB.
Mitarbeiter, die an Allergien leiden, seien in Sicherheit gebracht worden, sagte Muratow. Die Arbeit werde aber ansonsten fortgesetzt. Die Investigativ-Zeitung „Nowaja Gaseta“ zählt zu den wichtigsten unabhängigen Medien Russlands. Offenbar im Zusammenhang mit den Recherchen der Zeitung wurden bereits mehrfach Attacken verübt, darunter der tödliche Angriff 2006 auf die Journalistin Anna Politkowskaja, die kritisch über die Kreml-Politik in Tschetschenien berichtet hatte.
Der neuerliche Angriff auf die Zeitung „Nowaja Gaseta“ erfolgte an dem Tag, an dem drei Nichtregierungsorganisationen in Moskau Strafanzeige gegen die russische Söldnergruppe Wagner stellten. Bei der Strafanzeige geht es um die Ermordung eines Gefangenen in Syrien im Jahr 2017, für die Söldner der Organisation Wagner verantwortlich gemacht wurden. Die Strafanzeige stütze sich auf Enthüllungen der „Nowaja Gaseta“, erläuterte Muratow. Ein Video, das von der Zeitung veröffentlicht wurde, zeigt Männer, die mit einem Hammer auf einen Mann einschlagen, ihn zerstückeln und ihn schließlich anzünden.
Am Montag veröffentlichte die „Nowaja Gaseta“ einen Bericht über Übergriffe, die sich in Tschetschenien ereigneten. Seit der Gründung der Zeitung 1993 gab es wiederholt Einschüchterungen, Angriffe und Mordanschläge. 2018 wurde der Zeitung der Kopf einer enthaupteten Ziege zugeschickt. Eigner der „Nowaja Gaseta“ sind die Redaktion, der Geschäftsmann Alexander Lebedow und der frühere Sowjetführer Michail Gorbatschow.