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Vier Thesen zum Ursprung der Corona-Pandemie

Vier Thesen zum Ursprung der Corona-Pandemie

Corona - Bild: 9_fingers_ via Twenty20

Die internationalen Experten, die im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im chinesischen Wuhan nach dem Ursprung der Corona-Pandemie gesucht haben, haben ihren Bericht abgeschlossen. Er enthält kein resümierendes Fazit. Zentrale Frage der vier diskutierten Erklärungsansätze ist, wie das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 aus seinem ursprünglichen Vermehrungsgebiet, dem sogenannten Reservoir, zum Menschen gelangte. Ein Überblick:

Ein Tier als Zwischenwirt

Die Berichtsautoren halten es für „wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich“, dass Sars-CoV-2 von einer Tierart zunächst auf eine andere Tierart überging, bevor der Erreger über diesen Zwischenwirt zum Menschen gelangte.

PRO

Die Coronaviren mit der engsten Verwandtschaft zu Sars-CoV-2 wurden bei Fledermäusen festgestellt. Zwischen ihren Genomen liegen aber Veränderungen, die mehrere Jahrzehnte Evolution in Anspruch genommen haben müssen. Der Verdacht, dass es einen Zwischenwirt gab, liegt daher nahe.

Sehr ähnliche Viren wurden auch bei Schuppentieren gefunden. Dies spricht für einen möglichen Übertragungsweg von Sars-CoV-2 oder ähnlichen Viren von einer auf die andere Tierart. Darüber hinaus wurde eine Übertragung eines Virus auf den Menschen über einen Zwischenwirt bereits bei anderen Krankheiten nachgewiesen.

KONTRA

Die Liste der Tierarten, bei denen Sars-CoV-2 nachgewiesen wurde, wächst. Studien zufolge scheinen sie sich aber jeweils bei Menschen infiziert zu haben. Untersuchung zahlreicher Haus-, Nutz- und Wildtierarten in der Region Wuhan ergaben bislang keinen Sars-CoV-2-Nachweis.

FOLGERUNGEN

Die Experten legen nahe, dass das Virus über Wildtier-Farmen in anderen chinesischen Provinzen nach China gekommen sein könnte. Dieser Spur müsse nachgegangen werden.

Direkte Übertragung vom Tier auf den Menschen

Die Berichtsautoren schätzen es als „möglich bis wahrscheinlich“ ein, dass das Virus nicht von einem Zwischenwirt, sondern direkt von seinem ursprünglichen Wirt auf den Menschen übertragen wurde.

PRO

Bei Studien zur Sars-Epidemie 2002/2003 wurde der Sars-Erreger bei Fledermäusen gefunden. Außerdem wurden Antikörper, welche die Proteine des Virus bei Fledermäusen angreifen, bei Menschen nachgewiesen, die direkten Kontakt mit Fledermäusen hatten. Ähnliche Viren wurden beim Malaiischen Schuppentier festgestellt. Der Bericht schließt Nerze, die vielerorts in Farmen gehalten werden, als ursprüngliches Sars-CoV-2-Reservoir nicht aus.

KONTRA

Abgesehen von der Tatsache, dass zwischen den Erbanlagen der Coronaviren in Fledermäusen und Menschen Jahrzehnte liegen, führen die Berichtsautoren folgendes Gegenargument an: Kontakte zwischen Menschen und Fledermäusen oder Schuppentieren seien „wahrscheinlich nicht so häufig wie der Kontakt zwischen Menschen und Vieh oder in der Zucht verwendeten Wildtieren“.

FOLGERUNGEN

Der Bericht führt an, dass die Analyse der Lieferketten von Märkten in Wuhan „glaubwürdige Spuren“ ergeben habe. Daher sollten die Untersuchungen zur Herkunft von Sars-CoV-2 auf andere Länder ausgeweitet werden.

Übertragung durch tiefgekühltes Fleisch

Eine Übertragung von Sars-CoV-2 auf den Menschen durch tiefgekühltes Fleisch halten die Berichtautoren zumindest für „möglich“.

PRO

Nachdem Sars-CoV-2 in China nahezu eliminiert wurde, gab es 2020 neue Ausbrüche im Zusammenhang mit importierter Tiefkühlkost. Außerdem wurde das Virus dem Bericht zufolge auf Verpackungen tiefgefrorener Importware gefunden. Dies legt nahe, dass es auch sehr niedrige Temperaturen überlebt.

KONTRA

Im Bericht heißt es, es gebe „keinerlei Beweis“, dass Sars-CoV-2 über Lebensmittel übertragen werden könne „und die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination der Kühlkette durch ein Virus-Reservoir ist sehr gering“.

FOLGERUNGEN

Die Experten empfehlen, wenn sie noch verfügbar sind, Reste von Tiefkühlprodukten zu untersuchen, die auf dem verdächtigen Markt in Wuhan verkauft wurden.

Labor als Quelle für die Pandemie

Die WHO-Experten stufen die These, das Virus sei versehentlich aus einem Labor entwichen, als „extrem unwahrscheinlich“ ein. Daher hätten sie diese Spur nicht weiter verfolgt. Die Möglichkeit einer absichtlichen Freisetzung von Sars-CoV-2 wurde ohnehin nicht untersucht.

PRO 

„Auch wenn sie selten sind, können Zwischenfälle in Laboren passieren“, heißt es in dem Bericht. Im Institut für Virologie in Wuhan wurde demnach auch das Fledermaus-Coronavirus RaTG13 sequenziert, das Sars-CoV-2 sehr ähnlich ist.

KONTRA

Die Wissenschaftler fanden „keine Spur eines Virus mit direkter Verbindung zu Sars-CoV-2 in irgendeinem Labor vor Dezember 2019“. Dies gelte auch für Genome, die kombiniert miteinander Sars-CoV-2 hätten ergeben können. „Das Risiko, zufällig Sars-CoV-2 in einem Labor kultiviert zu haben, ist extrem niedrig“, heißt es weiter.

FOLGERUNGEN

Im Bericht wird allgemein eine „regelmäßige behördliche und interne Untersuchung“ von Laboren in aller Welt auf ihre Sicherheit empfohlen. Außerdem sollen mögliche Beweise für das Entweichen von Erregern aus Laboren generell gesammelt werden.

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