Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat vor einer nach deren Angaben offensichtlich am Mittwoch geplanten neuen Sammelabschiebung nach Afghanistan gewarnt. Pro Asyl wies am Montag in Berlin darauf hin, dass „sich die ohnehin desaströse Sicherheitslage in Afghanistan in jüngster Zeit verschärft hat“. Neue Unwägbarkeiten seien mit dem möglichen Abzug ausländischer Truppen aus dem in weiten Teilen von radikalislamischen Taliban kontrollierten Land verbunden.
Laut Pro Asyl wurden seit Beginn der Sammelabschiebungen im Dezember 2016 bislang 1015 Menschen von Deutschland nach Afghanistan geflogen, praktisch ausschließlich „verzweifelte junge Männer“, wie es hieß. Seit Jahresbeginn habe es 107 solcher Abschiebungen gegeben, der neue Flug sei nun von Berlin-Schönefeld aus geplant. Pro Asyl forderte, derartige Flüge generell zu beenden.
Die Organisation verwies auf einen UN-Bericht vom 12. März, wonach in Afghanistan im vergangenen Jahr mehr als 25.000 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert worden seien, zehn Prozent mehr als 2019 und der höchste bisher überhaupt registrierte Wert. Die Zahl der bewaffneten Zusammenstöße sei im Jahresvergleich um 18,4 Prozent auf 15.581 angestiegen, die der gezielten Mordanschläge um 27 Prozent auf 993.
Pro Asyl wies darauf hin, dass sich angesichts dieser Lage auch die Rechtsprechung in Deutschland allmählich verändere. Während bisher „besondere, individuell erschwerende Umstände“ für ein Abschiebeverbot hätten nachgewiesen werden müssen, gelte nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nun umgekehrt, dass von einem Abschiebeverbot auszugehen sei, wenn „keine besonderen begünstigenden Umstände“ für das Leben nach einer Rückkehr nach Afghanistan vorlägen.