Ost-Jerusalem und der Tempelberg sind von den seit Jahren schwersten Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei erschüttert worden. Vor der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg attackierten Gläubige am Freitag die Sicherheitskräfte mit Steinen, während die Polizei Gummigeschosse und Blendgranaten auf die Angreifer abfeuerte. Mehr als 180 Menschen wurden verletzt. Die USA und die UNO äußerten sich besorgt und riefen zur Deeskalation auf.
Der palästinensische Rote Halbmond erklärte, bei den Auseinandersetzungen auf dem Tempelberg seien zahlreiche Palästinenser durch Gummigeschosse der Polizei verletzt worden. Auch in anderen Teilen der Stadt gab es gewaltsame Zusammenstöße, wie AFP-Reporter berichteten. Der Rote Halbmond sprach von 178 verletzten Palästinensern; die Hilfsorganisation richtete am Tempelberg ein Feldlazarett ein.
Am letzten Freitag des islamischen Fastenmonats Ramadan hatten sich tausende Gläubige auf dem Tempelberg zum Gebet versammelt. Nach Angaben der israelischen Polizei, welche die Zugänge zu dem Areal bewacht, wurden die Beamten anschließend von „hunderten Randalierern“ mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Sechs Polizisten seien verletzt worden.
Über der Altstadt stieg Rauch auf, dutzende Schüsse waren zu hören. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas machte die israelische Regierung für die Unruhen verantwortlich und bezeichnete die Demonstranten als „Helden“.
Derzeit gibt es unter anderem wegen drohender Zwangsräumungen für palästinensische Familien im von Israel annektierten Ost-Jerusalem massive Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern. Seit einigen Tagen kommt es deswegen täglich zu teils gewaltsamen Protesten.
Zuletzt hatten sich im August 2019 gewaltsame Auseinandersetzungen mit mehreren Verletzten auf dem Tempelberg ereignet. Der Tempelberg ist eine heilige Stätte nicht nur des Islam, sondern auch des Judentums und des Christentums.
Die USA äußerten sich „tief beunruhigt“ über die Lage in Jerusalem. Das Außenministerium rief zur „Deeskalation“ auf und warnte vor Schritten, die zur Verschärfung der Situation führen könnten. Das Ministerium bezog sich dabei auf Zwangsräumungen und Israels Siedlungsaktivitäten. Der UN-Koordinator für den Nahen Osten, Tor Wennesland, rief die Konfliktparteien zur „Verantwortlichkeit“ und Ruhe auf.
Am Freitag versammelten sich auch zahlreiche Demonstranten im Stadtviertel Scheich Dscharrah, wo mehr als 30 Palästinensern die Zwangsräumung durch die israelischen Behörden droht. Auch dort trieb die Polizei die Menge mit Blendgranaten auseinander.
Anfang des Jahres hatte das Jerusalemer Bezirksgericht entschieden, dass die Häuser der palästinensischen Familien rechtmäßig jüdischen Familien gehörten. Nach israelischem Recht können jüdische Israelis vor Gericht Besitzanspruch auf Häuser in Ost-Jerusalem anmelden, wenn ihre Vorfahren vor dem arabisch-israelischen Krieg (1948-49) dort im Besitz von Grundstücken waren.
Israel hatte den Ostteil Jerusalems im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt und 1980 annektiert. Die Annexion wird international nicht anerkannt.