Die tödliche Gewalt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas dauert unvermindert an. Die israelische Luftwaffe griff in der Nacht zum Samstag mehrere Ziele im Gazastreifen an, wie die Armee mitteilte. Dabei wurden nach Angaben von Ärzten auch zehn Mitglieder einer einzigen Familie getötet. Für Samstag wurde eine neue Eskalation der Gewalt befürchtet, weil die Palästinenser am Nakba-Tag der Vertreibung von hunderttausenden Menschen infolge der israelischen Staatsgründung 1948 gedenken.
Am Samstag traf der Nahost-Gesandte der US-Regierung, Hady Amr, zu Gesprächen mit israelischen Regierungsvertretern in Jerusalem ein. Im Anschluss wollte er für ein Treffen mit palästinensischen Verantwortungsträgern nach Westjordanland weiterreisen. Amr werde bei beiden Seiten für „nachhaltige Ruhe“ werben, sagte eine Sprecherin des US-Außenministerium.
Bei den israelischen Luftangriffen in der Nacht zu Samstag wurde nach Armeeangaben ein „Einsatzbüro“ der Hamas nahe dem Zentrum von Gaza getroffen. Auch unterirdische Abschussanlagen wurden demnach bombardiert. Bei einem Angriff im Westen des Gazastreifens wurden nach Angaben von Ärzten zehn Familienmitglieder getötet: Acht Kinder und zwei Frauen starben demnach, als ein dreistöckiges Gebäude im Flüchtlingslager Al-Schati einstürzte.
Aus dem Palästinensergebiet wurden derweil die Raketenangriffe auf Israel fortgesetzt. Rund 200 Raketen seien in der Nacht zu Samstag auf den Süden Israels abgefeuert worden, teilte das israelische Militär mit. Mehr als 100 Geschosse seien von israelischen Abwehrsystemen abgefangen worden.
Trotz internationaler Vermittlungsversuche hält die schwerste Gewalteskalation seit Jahren in Nahost seit fünf Tagen an. Seit Montag wurden bereits mehr als 2000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Nach Behördenangaben starben neun Menschen in Israel, mehr als 560 Menschen erlitten Verletzungen.
Die israelische Armee griff ihrerseits seit Wochenbeginn fast 800 Ziele im Gazastreifen an, darunter ein unter Wohngebieten errichtetes Tunnelsystem der Hamas. Mehr als 130 Menschen im Gazastreifen wurden nach Hamas-Angaben getötet, darunter über 30 Kinder. Etwa 950 weitere Menschen wurden verletzt.
Auch das Haus der Familie des jungen Palästinensers Dschassar Fajjad in Gaza wurde in den vergangenen Tagen in Schutt und Asche gelegt. Vier Familienmitglieder seien verletzt worden, berichtete der Jugendliche mit blutverschmiertem T-Shirt. Sein Vater habe „beide Füße verloren“. „Das ist keine Eskalation, das ist ein echter Krieg“, sagte Fajjad.
Am Freitag griff der Konflikt auch auf das Westjordanland über. Dort starben bei schweren Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften nach Angaben der palästinensischen Behörden elf Menschen. Nach Angaben der israelischen Armee wurden zudem aus dem Libanon und Syrien Raketen in Richtung Israel abgefeuert.
Rund 10.000 Palästinenser sind nach UN-Angaben aus Angst vor einer Bodenoffensive aus ihren Häusern im Gazastreifen nahe der israelischen Grenze geflohen. „Sie suchen Schutz in Schulen, Moscheen und anderen Orten während einer globalen Corona-Pandemie und bei begrenztem Zugang zu Wasser, Nahrung, Hygiene und Gesundheitsversorgung“, sagte die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in den besetzten Gebieten, Lynn Hastings.
Außerdem wird Israel weiter von Gewalt zwischen jüdischen und arabischen Israelis erschüttert. In der Nacht zum Samstag setzten junge Palästinenser in Schuafat in Ost-Jerusalem Barrikaden in Brand. Die israelische Polizei setzte Tränengas ein. Seit Wochenbeginn wurden wegen der Gewaltausbrüche innerhalb des Landes schon mehr als 750 Menschen festgenommen.
Ein Endes des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern ist nicht in Sicht. „Sie bezahlen und werden weiter teuer dafür bezahlen. Es ist noch nicht vorbei“, hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Blick auf die Hamas am Freitag gesagt.
Am Sonntag soll der UN-Sicherheitsrat erneut über den Konflikt beraten. Für Samstag waren weltweit Solidaritätskundgebungen für die Palästinenser geplant – unter anderem auch in Deutschland und Frankreich.