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Ein Kardinal tritt ab – für die katholischen Laien ist es der falsche

Symbolbild: Kirchenbank

Symbolbild: Kirchenbank

An der Spitze der 27 deutschen Bistümer stehen nur zwei Kardinäle. Wenn nun mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx einer der beiden Papst Franziskus den Rücktritt anbietet und die Laien gleichzeitig den Rücktritt des zweiten, des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki, fordern, verrät das sehr viel über den Zustand der katholischen Kirche.

„Ich bin nicht amtsmüde, ich bin nicht demotiviert“, sagt Marx am Freitag über seinen Entschluss, Papst Franziskus um eine Entbindung von seinen Aufgaben zu bitten. Doch nachdem Marx schon vor gut einem Jahr mit seinem Rückzug von der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz für einen Paukenschlag sorgte, wirkt der zu Ostern von ihm beschlossene und nun mit Erlaubnis des Papsts öffentlich gemachte Rückzugswunsch resigniert.

Denn mit Marx zieht sich ausgerechnet derjenige zurück, der versuchte, konstruktiv einen Weg aus der Kirchenkrise zu finden. Noch als Vorsitzender der Bischofskonferenz erfand Marx den synodalen Weg, der durch den Missbrauchsskandal verlorenes Vertrauen zurückgewinnen soll.

Der jetzige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, mag deshalb nur Gutes im Sinn haben, wenn er über Marx verbreitet: „Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat Kardinal Marx Wegweisendes für die Kirche in Deutschland und weltweit geleistet.“

Doch zusammen mit dem Text, den Kardinal Marx selbst verbreiten lässt, sind die Worte Bätzings für viele Katholiken frustrierend. Denn das Wegweisende, das Marx laut Bätzing einleitete, führte bisher zu nichts – zumindest sieht es Marx selbst so. Die Kirche befinde sich an einem „toten Punkt“, schreibt der 67-Jährige in der Erklärung zu seinem Rücktritt.

Marx versucht den toten Punkt noch als Chance zu definieren. „Ich glaube, dass der ‚tote Punkt‘, an dem wir uns im Augenblick befinden, zum ‚Wendepunkt‘ werden kann.“ Doch dies führt genau in das große Dilemma, in dem sich die katholische Kirche in Deutschland inzwischen seit Jahren befindet.

Liberale und Konservative streiten in Deutschland so massiv wie in kaum einem anderen Land über „Wendepunkt“ gegen „Weiter so“. Unter den Modernisierern war zuletzt Marx, ebenso Bischof Bätzing. Unter den konservativen „Weiter so“-Stimmen ist der Kölner Kardinal Woelki – dazu der frühere Chef der Glaubenskongregation, der deutsche Kardinal Gerhard Müller.

Dass er wenig von Kardinal Woelki und dessen Vorgehen in Köln hält, macht Marx selbst in seinem Rücktrittsschreiben ungewöhnlich offen deutlich. „Es kann aber – so denke ich – nicht ausreichen, die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme zu beschränken auf aus den Überprüfungen der Aktenlage hervorgehende vor allem kirchenrechtliche und administrative Fehler und Versäumnisse“, schreibt er. Genauso ging Woelki in Köln vor – er ließ ein juristisches Gutachten auf Aktenlage verfassen, durch das er sich reingewaschen sieht.

Der oberste katholische Laienvertreter, Zentralkomitee-Präsident Thomas Sternberg, sagt nach der Marx-Erklärung unverblümt: „Da geht der Falsche.“ Sternberg forderte schon früher wiederholt Woelkis Rücktritt – es ist keine Frage, wessen Rücktritt Sternberg für richtig gehalten hätte.

Es liegt nun an Papst Franziskus zu entscheiden, ob er das Rücktrittsgesuch des zu seinem engsten Beraterkreis zählenden Marx annimmt. Für den 2013 mit einem großen Reformwillen angetretenen Franziskus ist die Lage in der weltkirchlich bedeutenden deutschen katholischen Kirche selbst ein großes Problem.

Franziskus ließ Woelki in Köln lange ungeschickt bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals gewähren, bevor er angesichts einer anhaltenden Austrittswelle von deutschen Katholiken nun eigene Aufpasser ins größte deutsche Erzbistum schickte. Die Probleme in Köln sind also noch ungelöst.

In München dagegen beginnen sie erst jetzt: Denn der dortige Bischof zählt stets zu den wichtigsten Stimmen im deutschen Katholizismus. Einen adäquaten Ersatz für Marx zu finden, wird für den Papst eine Herausforderung – eine Fehlentscheidung dürfte die deutsche Kirchenkrise nur noch weiter vertiefen.

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