Am Himmelfahrtstag 2017 hatte Donald Trump seinen ersten Nato-Gipfel in Brüssel. Es wurde ein denkwürdiges Ereignis. Der neue US-Präsident hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den anderen Staats- und Regierungschefs eine regelrechte Standpauke. Er warf den Verbündeten vor laufenden Kameras vor, nicht genug Geld in ihre Verteidigungsbudgets zu stecken und sich auf Kosten der USA beschützen zu lassen.
Den Gipfel-Organisatoren war klar, dass es ein heikler Besuch im nagelneuen Bündnis-Hauptquartier in der belgischen Hauptstadt würde. Denn Trump hatte die Allianz kurz vor seinem Amtsantritt im Januar als „obsolet“ bezeichnet. Und anders als seine Vorgänger weigert er sich beharrlich, sich zur kollektiven Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nordatlantikpakts zu bekennen.
Die Nato hofft damals darauf, Trump bei dem Gipfel am 25. Mai mit Symbolik von der Notwendigkeit der Organisation zu überzeugen. Bei einer feierlichen Zeremonie wird im Beisein des US-Präsidenten ein Mahnmal zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeweiht, das offiziell den Namen „9/11 und Artikel 5“-Denkmal trägt.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verweist in seiner Rede neben dem verformten Stahlträger aus dem zerstörten New Yorker World Trade Center darauf, dass die Nato nach den Terroranschlägen das erste und bisher einzige Mal ihre kollektive Beistandsklausel aktiviert habe. „Einer für alle und alle für einen“ laute die Bündnisdevise, sagt der Norweger. Tausende europäische und kanadische Soldaten hätten seitdem „Schulter and Schulter“ mit den USA in Afghanistan gekämpft.
„Schnell und entschlossen“ hätten die Verbündeten damals reagiert, erkennt Trump an, als er selbst am Rednerpult steht. Dann kommt er aber bald auf das eigentliche Thema: 23 von 28 Nato-Mitgliedern gäben immer noch nicht wie vereinbart zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus, erhitzt sich der US-Präsident. Viele dieser Nationen „schulden enorme Mengen Geld aus den vergangenen Jahren“. Dies sei „nicht fair gegenüber dem Volk und den Steuerzahlern der Vereinigten Staaten“.
Die in zwei Reihen stehenden Staats- und Regierungschefs stehen belämmert da. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel, dessen Land den niedrigsten Anteil bei den Verteidigungsausgaben hat, verschränkt wie im Abwehrreflex die Arme vor der Brust. Stoltenberg muss mit versteinerter Mine an Trumps Seite ausharren und einsehen, dass seine Umarmungsstrategie nicht funktioniert hat.
Während des Treffens wird sich Trump auch nicht mehr zur Beistandspflicht im Bündnis bekennen – laut US-Medienberichten soll eine entsprechende Passage ursprünglich in seinem Redetext gestanden haben. Erst zwei Wochen später holt er das Bekenntnis in Washington nach. Doch auch die folgenden Jahre mit dem unberechenbaren Trump blieben für die Nato eine regelrechte Achterbahnfahrt, die erst mit seiner Ablösung durch den bekennenden Transatlantiker Joe Biden endete.