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Zahl der Flüchtlinge weltweit trotz Corona-Krise auf Rekordhoch

Zahl der Flüchtlinge weltweit trotz Corona-Krise auf Rekordhoch

Symbolbild: Flüchtlinge

Die Zahl der Flüchtlinge weltweit ist im vergangenen Jahr trotz der Corona-Pandemie auf einen Höchststand von 82,4 Millionen gestiegen. Dies waren doppelt so viele wie vor zehn Jahren, wie es in dem am Freitag vorgestellten Jahresbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR heißt. Insbesondere die Zahl der Binnenvertriebenen nahm zu. Deutschland befand sich unter jenen fünf Ländern, welche die meisten Flüchtlinge beherbergen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach von einem „traurigen Rekord“.

Während „der Pandemie ist alles stehengeblieben, einschließlich der Wirtschaft“, sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi der Nachrichtenagentur AFP. „Aber Kriege und Konflikte und Gewalt und Diskriminierung und Verfolgung – all die Faktoren, die diese Menschen in die Flucht getrieben haben – sind bestehen geblieben.“

Bereits 2019 war die Zahl der Menschen, die vor Gewalt und Verfolgung flohen, auf einen Höchststand gestiegen. Im Jahr 2020 kamen dem Bericht zufolge noch einmal weitere drei Millionen dazu. Die Zahl der aus ihrer Heimat vertriebenen Menschen ist damit im neunten Jahr in Folge gestiegen.

Laut dem Bericht gab es zum Ende des vergangenen Jahres weltweit 20,7 Millionen Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat, 5,7 Millionen palästinensische Flüchtlinge und 3,9 Millionen Venezolaner, die aus ihrer Heimat geflohen sind. Hinzu kamen 4,1 Millionen Asylbewerber, über deren Status also noch nicht entschieden worden ist.

Während diese Zahlen im Vergleich zum Vorjahr relativ unverändert blieben, stieg die Zahl der Binnenvertriebenen, also Menschen, die innerhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht sind, um mehr als zwei Millionen auf 48 Millionen an.

„In einer Situation, in der Konflikte und Gewalt zugenommen haben und in der der Grenzübertritt durch Corona erschwert wurde, ist die Zahl der Binnenvertriebenen zwangsläufig gestiegen“, sagte Grandi. Mindestens 164 Länder hatten im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie ihre Grenzen geschlossen, mehr als die Hälfte davon ließ auch keine Asylbewerber und Flüchtlinge ins Land.

Neben langwierigen Krisen wie in Syrien, Afghanistan, Somalia und dem Jemen zwangen auch eine Reihe neuer Konflikte zahlreiche Menschen in die Flucht: etwa in der äthiopischen Region Tigray und im Norden Mosambiks.

Mehr als zwei Drittel der weltweiten Flüchtlinge stammten aus nur fünf Ländern: Syrien, Venezuela, Afghanistan, dem Südsudan und Myanmar. 42 Prozent der Vertriebenen waren dem Bericht zufolge jünger als 18 Jahre.

Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge suchte in Ländern Zuflucht, die an die Krisengebiete angrenzten. Mit rund 3,7 Millionen Flüchtlingen beherbergte die Türkei dabei nach wie vor die meisten Flüchtlinge weltweit, gefolgt von Kolumbien (1,7 Millionen), Pakistan und Uganda (jeweils 1,4 Millionen) und Deutschland (1,2 Millionen).

Die Zahl der Geflüchteten, die in Deutschland ankamen, sank nach Angaben des UNHCR allerdings das vierte Jahr in Folge deutlich. Mit 102.600 neuen Asylanträgen verzeichnete die Bundesrepublik die seit Jahren geringste Zahl.

„Wir dürfen in Europa nicht wegschauen von dieser dramatischen Entwicklung“, forderte Entwicklungsminister Müller angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen. Vor allem die ärmsten Länder nähmen die meisten Flüchtlinge auf. „Unterstützen wir die Länder nicht, werden wir auch in Europa mit dramatischen Konsequenzen dieser globalen Flüchtlingskrise konfrontiert werden.“

Die Welthungerhilfe bezeichnete insbesondere die Lage der Binnenvertriebenen in Syrien als dramatisch. „Neben Armut, Perspektivlosigkeit und der Angst vor Corona ist der zunehmende Hunger eines der größten Probleme“, erklärte Konstantin Witschel, Programmkoordinator für Syrien.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte mahnte zudem einen besseren Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention an. Durch illegale und gewaltsame Zurückweisungen von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen werde der Flüchtlingsschutz zunehmend ausgehöhlt, erklärte das Institut.

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