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Experten: Die Pocken grassierten schon unter den Wikingern

Experten: Die Pocken grassierten schon unter den Wikingern

Symbolbild: Wissenschaftler bei der Forschung

Das Pockenvirus ist neuen Erkenntnissen zufolge in Nordeuropa bereits zur Wikingerzeit verbreitet gewesen – und nicht erst später von zurückkehrenden Kreuzrittern eingeschleppt worden. Dies ergaben DNA-Analysen von Wikingerskeletten durch Forscher der Berliner Charité sowie der Universitäten von Cambridge und Kopenhagen, wie die Charité am Freitag mitteilte. Zudem rieten die Experten dazu, auch heute noch zirkulierende Tierpockenviren künftig aufmerksam zu beobachten.

Das Wissenschaftlerteam konnte den Angaben zufolge erstmals wissenschaftlich nachweisen, dass das Pockenvirus Menschen seit mindestens 1400 Jahren infiziert. Historische Schriften deuten zwar sogar darauf hin, dass es die Pocken bereits vor mehr als 3000 Jahren gegeben haben könnte. Allerdings war das bisher älteste Skelett, in dem das Virus genetisch nachgewiesen werden konnte, nur etwa 360 Jahre alt.

„Es gab also eine Diskrepanz von fast 3000 Jahren zwischen dem, was gemeinhin über die Historie des Pockenvirus angenommen wird und dem, was man tatsächlich darüber weiß“, erklärte der Bioinformatiker Terry Jones vom Institut für Virologie am Campus Charité Mitte. „Wir haben also versucht, mithilfe moderner molekularbiologischer Methoden wissenschaftliche Belege für die schriftlichen Hinweise auf ein früheres Auftreten der Pocken zu finden.“

Tatsächlich entdeckte das Team das Variolavirus, das die Pocken verursacht, in bis zu 1400 Jahre alten Gebeinen aus Wikingergrabstätten in Dänemark, Norwegen, Schweden, Russland und England. Insgesamt analysierten die Forscher das Erbgut von fast 1900 Skeletten, die zwischen 150 und mehr als 30.000 Jahre alt waren und in Europa und Amerika gefunden wurden.

In 13 Fällen gelang es ihnen, aus den Zähnen beziehungsweise einem Teil des Schläfenbeins der Verstorbenen DNA-Fragmente des menschlichen Pockenvirus anzureichern. Elf der Menschen, bei denen das Virus nachgewiesen wurde, hatten zwischen etwa 600 und 1050 nach Christus gelebt – also auch während der Wikingerzeit von 793 bis 1066.

„Unsere Studie liefert damit zum ersten Mal einen molekularbiologischen Beweis dafür, dass bereits die Wikinger vom Pockenvirus infiziert wurden“, erläuterte die Erstautorin Barbara Mühlemann vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung am Institut für Virologie am Campus Charité Mitte.

„Wir konnten so die Diskrepanz zwischen historischen Anekdoten und direktem Pockennachweis um etwa tausend Jahre reduzieren – wir halten es aber für wahrscheinlich, dass es noch frühere Infektionen gab“, fügte die Forscherin hinzu.

Die neuen Forschungsergebnisse widersprechen bisherigen Annahmen, nach denen die Pocken beispielsweise erst durch zurückkehrende Kreuzritter im 11. bis 13. Jahrhundert nach Europa gebracht wurden. „Auf Basis der jetzt nachgewiesenen Pockenfälle in Nordeuropa und historischer Erzählungen über mutmaßliche Fälle in Süd- und Westeuropa gehen wir davon aus, dass das Pockenvirus spätestens seit dem Ende der Wikingerzeit in Europa weitflächig zirkulierte“, erklärte Jones.

Das Variolavirus gilt als das tödlichste Virus weltweit: Allein im 20. Jahrhundert starben an der Krankheit 300 bis 500 Millionen Menschen, die Sterblichkeitsrate lag bei bis zu 30 Prozent. Das menschliche Pockenvirus wurde 1980 nach einer weltweiten Impfkampagne für ausgerottet erklärt.

Dennoch gibt es auch heute noch in Zentral- und Westafrika Fälle, in denen das verwandte Affenpockenvirus auf den Menschen übergeht – mit vergleichbaren Symptomen, aber geringerer Sterblichkeit als bei den sogenannten Echten Pocken.

Die aktuellen Analysen ergaben zudem, dass sich das zur Wikingerzeit zrikulierende Pockenvirus deutlich vom Variolavirus des 20. Jahrhunderts unterschied – es ähnelte vielmehr eher den heute aus Kamelen und Rennmäusen bekannten Pockenerregern. „Die Evolution des Pockenvirus ist deutlich komplexer als wir angenommen haben“, betonte Jones.

„Wenn das menschliche Pockenvirus in der Vergangenheit so unterschiedlichen genetischen Pfaden gefolgt ist, könnten sich auch die noch immer zirkulierenden Tierpockenviren ähnlich weitgefächert entwickelt haben – mit möglichen Folgen für die Übertragung der Erkrankung vom Tier auf den Menschen“, mahnte der Wissenschaftler. „Wir sollten die Tierpockenviren in Zukunft deshalb besser im Blick behalten.“

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