Mit Hilfe des Observatoriums Ligo in den USA konnten Wissenschaftler 2015 erstmals Gravitationswellen von der Fusion zweier Schwarzer Löcher messen und damit einen zentralen Baustein von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie bestätigen – nun setzten Ligo und das italienische Observatorium Virgo noch eins drauf: Sie registrierten die bislang älteste und massereichste Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher, wie die Forscher des Projekts am Mittwoch bekanntgaben. Die Entdeckung könnte zu ganz neuen Erkenntnissen über die Entstehung von Schwarzen Löchern führen.
Den Angaben zufolge erfassten am 21. Mai 2019 die beiden Observatorien die Gravitationswellen von der mutmaßlichen Kollision zweier Schwarzer Löcher mit einer 65- und 85fachen Masse der Sonne. Es dauerte ganze sieben Milliarden Jahre, bis das Signal die Erde erreichte. Das neuentstandene Schwarze Loch hat nach Angaben der Forscher die 142fache Masse der Sonne.
Die von den beiden Observatorien erfassten Gravitationswellen sind der erste direkte Nachweis für die Existenz von „mittelschweren“ Schwarzen Löchern mit einer 100 bis 100.000fachen Sonnenmasse. Solche Schwarzen Löcher sind schwerer als diejenigen, die bei Sternenexplosionen entstehen, aber deutlich leichter als die supermassereichen Schwarzen Löcher, wie sie sich in den Zentren von Galaxien wie etwa in unserer Milchstraße finden lassen.
Gravitationswellen sind Verzerrungen der Raumzeit, die bei äußerst energiereichen Ereignissen im Universum entstehen – beispielsweise bei Sternenexplosionen oder kollidierenden Schwarzen Löchern. Anschließend breiten sie sich mit Lichtgeschwindigkeit ungebremst durchs All aus. Schwarze Löcher wiederum können entstehen, wenn das Leben eines Sterns in einer Supernova-Explosion endet.
Der Ligo-Astrophysiker Karan Jani feierte insbesondere „das Vermögen, ein Schwarzes Loch von einigen hundert Kilometern Breite quer durch das halbe Universum“ zu entdecken. Er bezeichnete die Fusion als „eines der mächtigsten Ereignisse im Universum seit dem Urknall“. Die Tür habe sich zu einer „ganz neuen Welt“ geöffnet, sagte der Astrophysiker Stavros Katsanevas.
Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die rund 1500 Wissenschaftler des Ligo- und Virgo-Konsortiums in den beiden Fachzeitschriften „Physical Review Letters“ und „Astrophysical Journal Letters“.
Laut dem Ligo-Wissenschaftler Nelson Christensen dauerte das von den Observatorien erfasste Signal nur eine Zehntelsekunde und stellte die Forscher bei der Analyse vor einige Herausforderungen. Doch die neuen Erkenntnisse lohnten die Mühe.
Denn auch die Masse der beiden Schwarzen Löcher vor ihrer Fusion faszinieren die Astrophysiker: Eigentlich können nach bisherigem Kenntnisstand beim Ende eines Sterns keine Schwarzen Löcher von 60 bis 120 Solarmassen entstehen. Denn Sterne dieser gewaltigen Masse würden bei Explosionen komplett auseinanderbrechen und nur Gas und Staub hinterlassen – so zumindest der bisherige Wissensstand.
Wie haben sich also Schwarze Löcher mit 65- und 85fachen Sonnenmassen gebildet? Eine Hypothese der Forscher ist, dass sie ihrerseits aus der Verschmelzung von weniger schweren schwarzen Löchern entstanden sind.
Die Entdeckung stelle in jedem Fall die „gegenwärtigen Modelle zur Entstehung Schwarzer Löcher“ in Frage, sagt Virgo-Wissenschaftlerin Michela Mapelli: „Sie könnte zu einem Paradigmenwechsel in der Astrophysik der Schwarzen Löcher führen.“