30 Jahre nach der Wiedervereinigung bestehen laut einer Studie weiterhin deutliche Unterschiede bei der beruflichen Gleichstellung von Frauen in Ost- und Westdeutschland. Der Rückstand ostdeutscher Frauen bei Erwerbsbeteiligung, Löhnen und Arbeitszeiten sei nach wie vor geringer ausgeprägt als bei Frauen in den westlichen Bundesländern, heißt es in einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Frauen im Osten gehen demnach immer noch häufiger einer beruflichen Tätigkeit nach als Frauen im Westen. Die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen lag laut Studie im Jahr 2018 mit 71,6 Prozent um gut acht Punkte unter der von westdeutschen Männern. In Ostdeutschland betrug der Abstand demnach nur gut vier Prozentpunkte.
In beiden Landesteilen stieg zwar die Beschäftigtenquote bei Frauen seit Beginn der 90er Jahre, die Abstände zu den Männern wurden geringer. Allerdings beruht diese Entwicklung laut WSI vor allem auf mehr weiblicher Teilzeitarbeit: In Ostdeutschland sei der Anteil der Teilzeitstellen von Frauen zwischen 1991 und 2018 um 17,2 Prozentpunkte gewachsen, in Westdeutschland um 14,3 Prozentpunkte.
Dennoch liege die Teilzeitquote der westdeutschen Frauen mit zuletzt 48,6 Prozent weiterhin deutlich über der Quote der ostdeutschen Frauen (34,7 Prozent). Der Anteil der Frauen, die lediglich einen Minijob haben, sei im Westen mit 17,1 Prozent sogar fast doppelt so hoch wie in Ostdeutschland mit 9,9 Prozent. Dass Frauen in Ostdeutschland häufiger und mehr arbeiten als im Westen, hängt laut WSI vor allem mit dem besseren Angebot an institutioneller Kinderbetreuung in den neuen Bundesländern zusammen.
Unterschiede gibt es den Angaben zufolge auch bei den Löhnen. In Westdeutschland liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen demnach 21 Prozent unter dem von Männern. Der Abstand sei damit dreimal so groß wie in Ostdeutschland. Allerdings seien die Stundenlöhne ostdeutscher Männer auch wesentlich niedriger als die von männlichen Beschäftigten im Westen.
Die unterschiedlichen Erwerbsbiografien haben deutliche Folgen für die Absicherung von Frauen im Alter. Frauen im Westen beziehen ein um 58 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer aus gesetzlicher Rente, betrieblicher und privater Alterssicherung. In Ostdeutschland beträgt der Abstand demnach durchschnittlich 28 Prozent. Sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern verringerte sich die Lücke jedoch seit Beginn der 90er Jahre.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mahnte angesichts dieser Zahlen politische und kulturelle Veränderungen an. Die Lücke bei der Erwerbsarbeitszeit sei die „Kehrseite der Kluft, die sich bei der unbezahlten Arbeit im Haushalt und in der Familie auftut“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der Nachrichtenagentur AFP. „Frauen schultern den Großteil dieser Tätigkeiten.“
Das müsse sich ändern, auch durch entsprechende Weichenstellungen der Politik, forderte Hannack. Zudem müsse die Ganztagsbetreuung an Grundschulen endlich kommen, um Chancen für Kinder zu verbessern und Eltern echte Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen.