Trotz Bedenken von Experten will die große Koalition an ihrem Entwurf für eine Wahlrechtsreform nichts mehr ändern. Union und SPD würden den Weg so weiter gehen „wie vereinbart“, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) am Dienstag vor einer Fraktionssitzung in Berlin. Er sei „sehr froh, dass wir überhaupt einen Kompromiss hingekriegt haben“, sagte er mit Blick auf den monatelangen Streit über das Thema.
Brinkhaus verwies darauf, dass der Gesetzentwurf der Koalition ein Vorgehen in zwei Schritten vorsehe: Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr sei nur eine „kleine Reform“ geplant – „richtig wirkmächtig“ werde die Neuregelung erst zur Wahl 2025.
Der Gesetzentwurf der Koalition sieht vor, für die Bundestagswahl 2021 die Zahl der Wahlkreise noch nicht zu reduzieren. Eine Begrenzung der Überhangmandate soll aber durch Veränderungen bei der Verteilung der Parlamentssitze auf die einzelnen Bundesländer erreicht werden. Zudem sollen drei Überhangmandate nicht ausgeglichen werden.
In einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des Bundestags hatten am Montag mehrere Sachverständige Kritik geäußert. Unausgeglichene Überhangmandate seien verfassungswidrig, befand der Politikwissenschaftler Joachim Behnke. Auch der Rechtswissenschaftler Ulrich Vosgerau erklärte der Entwurf sei „verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaft“.
Die Abstimmung über den Gesetzentwurf ist bereits für dies Woche Donnerstag geplant. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich räumte am Dienstag ein, er sei von der Einschätzung der Experten „nicht überrascht“ gewesen. Seine Fraktion sei nicht „mit Euphorie“ an den nun vorliegenden Gesetzentwurf gegangen.
Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali äußerte neben Zweifeln an der Verfassungskonformität des Entwurfs noch weitere Kritik. So sei die geplante Neuregelung „unverständlich“ formuliert, was „nicht zu weiterem Vertrauen in die Demokratie“ führe. Auch sei nicht ausgemacht, dass das Ziel, eine weitere Vergrößerung des Bundestags zu verhindern, erreicht werde. Ihre Fraktion werde noch darüber beraten, ob sie Verfassungsbeschwerde gegen die Wahlrechtsreform einlege, kündigte Mohamed Ali an.