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Erdogan kritisiert Straßburger Urteil zu Demirtas als „politisch“ motiviert

Erdogan kritisiert Straßburger Urteil zu Demirtas als „politisch“ motiviert

Recceo Tayvip Erdogan - Bild: Paul Morigi Photography / CC BY-NC-ND 2.0

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als „politisch“ motiviert verurteilt, in dem die seit Jahren andauernde Inhaftierung des kurdischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtas für rechtswidrig erklärt wurde. Die Straßburger Richter hätten in ihrem Urteil mit „zweierlei Maß“ gemessen, erklärte Erdogan am Mittwoch. Er machte Demirtas „für den Tod von 39 Mitbürgern verantwortlich“. Erdogan bezog sich damit auf gewalttätige Unruhen, bei denen im Südosten der Türkei 2014 dutzende Menschen getötet wurden.

Die Website des EGMR wurde kurz nach der Veröffentlichung des Demirtas-Urteils zum Ziel einer „groß angelegten“ Cyber-Attacke, wie der Straßburger Gerichtshof am Mittwoch mitteilte. Nach dieser Cyber-Attacke sei die Homepage „zeitweise nicht zugänglich“ gewesen, hieß es weiter. Es seien allerdings „keine Daten verloren gegangen“, teilte der Pressedienst des EGMR auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit. Von wo die Cyber-Attacke ausging, konnte laut EGMR zunächst nicht festgestellt werden.

Das Straßburger Gericht hatte am Dienstag die „sofortige Freilassung“ des früheren Vorsitzenden der pro-kurdischen HDP verlangt. Die Richter warfen Ankara „mehrere Verstöße“ gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor. 

Die Festnahme des früheren Präsidentschaftskandidaten vor gut vier Jahren habe darauf abgezielt, den Pluralismus zu unterdrücken und die freie politische Debatte einzuschränken, erklärte der Gerichtshof. Im Juni hatte bereits das türkische Verfassungsgericht Demirtas‘ Inhaftierung als rechtswidrig eingestuft.

Demirtas bezeichnete das EGMR-Urteil im Onlinedienst Twitter als Bestätigung dafür, dass alle Gerichtsentscheidungen gegen ihn und seine Mitstreiter der vergangenen Jahre politisch motiviert gewesen seien, „dass wir unschuldig sind und dass jene, die uns ins Gefängnis gebracht haben, Straftaten begingen, indem sie politische Verschwörungen gegen uns schmiedeten“. 

Der charismatische Demirtas war lange ein ernsthafter Rivale Erdogans. Dann wurde ihm von der Regierung in Ankara „Terrorismus“ vorgeworfen, im November 2016 wurde er inhaftiert. Im noch laufenden Hauptverfahren wegen der Terrorismusvorwürfe drohen Demirtas bis zu 142 Jahre Gefängnis.

Erdogan beschuldigt die HDP, der politische Arm der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Die HDP weist dies zurück. Zahlreiche Funktionäre der zweitgrößten türkischen Oppositionspartei sitzen derzeit im Gefängnis, dutzende gewählte HDP-Bürgermeister wurden abgesetzt.

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