Firmen müssen für Menschen mit einer nicht binären Geschlechtsidentität eine geschlechtsneutrale Anredeform in ihrer Kundenkommunikation bereithalten. Das entschied das Landgericht Frankfurt am Main am Donnerstag in einem Rechtsstreit zwischen einem Betroffenen und einem Eisenbahnunternehmen. Der Kunde hatte bei einem Fahrkartenkauf per Internet nur die Wahl, als „Herr“ oder „Frau“ erfasst und entsprechend angeschrieben zu werden. Eine Forderung nach Entschädigung wiesen die Richter aber ab. (Az. 2-13 O 131/20)
Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers sei dafür nicht schwerwiegend genug, erläuterten die Richter. Die Anrede als „Herr“ in einem einzelnen Rechnungsanschreiben sei nicht „böswillig“ erfolgt, sondern lediglich „Reflex massenhafter Abwicklung standardisierter Vorgänge“. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem Gleichbehandlungsgesetz seien nicht erfüllt.
In der Sache gab die Kammer dem Kläger jedoch recht und verwiesen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter anderem auch die geschlechtliche Identität. In diesem Zusammenhang sei die Anrede nach dem allgemeinem Verständnis von „zentraler Bedeutung“. Eine zwangsweise Festlegung auf „Herr“ oder „Frau“ verletzte insofern das Persönlichkeitsrecht. Für die Erbringung der Dienstleistung im vorliegenden Fall sei das Geschlecht außerdem „völlig irrelevant“.
Das beklagte Unternehmen könne alternativ etwa eine Grußformel wie „Guten Tag“ einführen oder auf eine geschlechtsspezifische Anrede gänzlich verzichten, führten die Frankfurter Richter in ihrem noch nicht rechtskräftigen Beschluss aus. Dieser kann noch durch eine Berufung von dem Frankfurter Oberlandesgericht angefochten werden.
Als unerheblich stuften sie die Frage ein, ob Betroffene schon eine Änderung im Personenstandsregister veranlasst hätten sowie beim Standesamt die Eintragung eines diversen Geschlechts erfolgt sei. Der Schutz allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie das Recht auf eine der geschlechtlichen Identität entsprechenden Anrede beginne nicht erst mit einer offiziellen Personenstandsänderung, sondern laut Verfassungsgericht schon bei „gefühlter Geschlechtsidentität“.