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Studie: Alternative Medien haben für Rechtsextremisten geringe Bedeutung

Studie: Alternative Medien haben für Rechtsextremisten geringe Bedeutung

Extremist (über cozmo news)

Alternative Medien haben für Rechtsextremisten einer Studie zufolge eine geringere Bedeutung als bislang angenommen. Die Szene bediene sich vielfach anderer Mechanismen, um das politische Tagesgeschehen in ihrem Sinn darzustellen, hieß es in der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Die Untersuchung belege, dass Rechtsextremisten die als „Lügenpresse“ diffamierten Medien wahrnähmen.

Für die Studie wurden 64 Facebook-Profile und Twitter-Accounts von bundesweit wichtigen rechtsextremistischen Gruppen und Einzelakteuren untersucht. Im Vordergrund stand die Frage, wie und mit welchen Medien sich die Szene mit politischen Ereignissen auseinandersetzt. Dabei stellte sich heraus, dass nur knapp ein Viertel der zwischen Januar und Juli 2019 verbreiteten 2046 Posts und Tweets aus alternativen Medien stammt.

„Trotzdem wird das politische Geschehen in den untersuchten Profilen in einer Art und Weise präsentiert, die sich nahtlos einfügt in ein rechtsextremistisches Weltbild“, erklärte Ann-Christin Wegener vom LfV. „Obwohl die meisten der geposteten Artikel für sich genommen überhaupt nicht rechtsextremistisch sind.“

Dafür verantwortlich sind der Studie zufolge drei Mechanismen. Demnach ermöglicht die Medienvielfalt Rechtsextremisten die Selektion von Inhalten, die in ihr Weltbild zu passen scheinen. Die 2046 Posts und Tweets stammen aus 298 verschiedenen Medien. Jeder Akteur rezipierte jedes alternative Medium nur 1,94 Mal.

In die Posts wurden so viele Angebote einbezogen, dass sich durch die gezielte Auswahl von Artikeln auch jenseits der alternativen Medien genügend Veröffentlichungen fanden, die sich in der Gesamtschau in ein rechtsextremistisches Weltbild integrieren lassen.

„Wer zehn Artikel postet, die in sachlichem Ton ein bestimmtes durch Migration verursachtes Problem ansprechen, und gleichzeitig jegliche Veröffentlichung mit Argumenten für Migration oder das Grundrecht auf Asyl weglässt, der erzielt möglicherweise mittelfristig einen stärkeren Effekt als jemand, der ein einzelnes reißerisches Antimigrationsmanifest aus einem alternativen Medium einstellt“, erklärte Wegener.

Der zweite Mechanismus ist eine Pauschalisierung von Medienberichten über einzelne Straftaten. In der Regel werden dabei Berichte über einzelne Verbrechen gepostet, um im Begleittext Migranten eine grundsätzliche Kriminalitätsneigung zu unterstellen. Dabei spielen vor allem Regional- und Boulevardzeitungen eine Rolle, da sie sich wegen ihrer Orientierung an Einzelschicksalen „besonders gut entsprechend instrumentalisieren lassen“.

Mechanismus Nummer drei sind Begleittexte, die die Nachrichteninhalte in einen anderen Kontext stellen. In den untersuchten Posts fanden sich regelmäßig Artikel zu gesellschaftlichen Problemen, die erst im Begleittext mit Migration in Verbindung gebracht wurden. Damit werde der Eindruck erweckt, dass auch Massenmedien die Sichtweise von Rechtsextremisten teilen.

Die drei Mechanismen erzeugen laut Studie ein Weltbild, in dem die rechtsextremistische Szene als einziger Gegenpol zu etablierten Parteien, Staat und linken Menschen dargestellt wird. Diese seien aus Sicht der Rechtsextremisten „Versager, Idioten und unser Verderben“.

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