Zum zehnjährigen Jubiläum der Istanbul-Konvention hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Mitgliedstaaten des Europarats zum Kampf gegen Gewalt gegen Frauen aufgerufen. Alle 47 Mitglieder der Straßburger Länderorganisation sollten in den nächsten zehn Jahren „und am liebsten früher“ die Konvention ratifizieren, erklärte Giffey am Freitag gemeinsam mit Europarats-Generalsekretärin Marija Pejcinovic Buric. An Gegnern des Abkommens übte sie scharfe Kritik.
Die Istanbul-Konvention ist dem Europarat zufolge das erste internationale rechtsverbindliche Instrument, das einen umfassenden rechtlichen Rahmen zum Schutz von Frauen vor jeglicher Form von Gewalt schafft – von Vergewaltigung in der Ehe bis zur weiblichen Genitalverstümmelung. 34 Länder haben das Abkommen ratifiziert, in Deutschland trat es im Februar 2018 in Kraft.
Zehn Jahre nach Annahme der Konvention blieben aber weiterhin „Hindernisse und Herausforderungen“, erklärte Giffey. Etwa sei aufgrund der Corona-Einschränkungen zuletzt ein Anstieg der häuslichen Gewalt zu beobachten gewesen. Außerdem gebe es „politische Bewegungen“, die mit „fadenscheinigen Behauptungen“ gegen die Konvention mobil machten.
Von den 47 Europaratsstaaten haben nur Russland und Aserbaidschan die Konvention nicht unterzeichnet. Zahlreiche Unterzeichner haben das Abkommen aber bis heute nicht ratifiziert. Erheblichen Widerstand gibt es etwa in Ungarn, Bulgarien und der Slowakei unter Verweis auf Passagen zu Rechten sexueller Minderheiten, die angeblich gegen „traditionelle Werte“ verstoßen.
In der Türkei werfen Frauenrechtsgruppen der Regierung vor, ein auf Basis der Ratifizierung der Konvention erlassenes Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt nicht umzusetzen. Konservative Gruppen in der Türkei behaupten, das Gesetz würde Homosexualität befördern und die Einheit türkischer Familien „zerstören“.
In Polen bemüht sich insbesondere Justizminister Zbigniew Ziobro seit Jahren um eine Rücknahme der Ratifizierung der Konvention, die unter der Vorgängerregierung der amtierenden rechtskonservativen Regierung geschah. Ziobro bezeichnete das Abkommen etwa als „feministische Schöpfung zur Rechtfertigung der homosexuellen Ideologie“.
Ein Rückzug aus dem Vertrag wäre „ein schwerer Rückschlag für die Menschenrechte“, erklärte Giffey. „Einzige Ziele“ der Istanbul-Konvention seien „Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“.