Eigentlich war der Bericht über die Suche nach den Ursprüngen des neuartigen Coronavirus im chinesischen Wuhan bereits vergangene Woche erwartet worden. Doch die Veröffentlichung verzögert sich wie im Januar schon die WHO-Mission selbst. Möglicherweise stellen diese Woche die von der Weltgesundheitsorganisation nach China entsandten Experten ihre Thesen vor, wie das Virus vom Tier auf den Menschen übergegangen sein könnte. Ihre Erklärungsansätze sind nicht nur wissenschaftlich hochinteressant, sondern auch politisch äußerst brisant.
Seit den ersten Corona-Fällen im Dezember 2019 in Wuhan sind weltweit schon mehr als 2,7 Millionen Infizierte gestorben. Der Ursprung des Covid-19-Erregers ist aber immer noch nicht geklärt.
Erst dieses Jahr im Januar durfte ein von der WHO zusammengestelltes internationales Expertenteam nach Wuhan reisen. Die Experten kamen nach mehrtägiger Verzögerung Mitte Januar in der chinesischen Millionenmetropole an. Nach einer zweiwöchigen Quarantäne hatten sie nur noch knapp zwei Wochen Zeit für ihre Nachforschungen.
Bei der Abschluss-Pressekonferenz am 9. Februar in Wuhan wurde bereits klar, dass die internationalen Fachleute den Ursprung der Pandemie nicht eindeutig bestimmen können. In ihrem Bericht werden sie aber die wahrscheinlichsten Übertragungswege darlegen und womöglich andere Hypothesen als unwahrscheinlich aussortieren.
Schon vor der WHO-Mission in Wuhan herrschte in der Wissenschaft weitgehend Einigkeit, dass Sars-CoV-2 ursprünglich bei Fledermäusen auftrat und über ein anderes Tier auf den Menschen übersprang. Welche Tierart als Zwischenwirt fungierte, ist aber unbekannt. In Proben von zehntausenden Wild-, Haus- und Nutztieren wurden keine Spuren des Erregers gefunden.
Der an der WHO-Mission beteiligte Leiter der US-Organisation EcoHealth Alliance, Peter Daszak, sagte kürzlich, die Ursprünge der Pandemie seien von Wuhan bis in südchinesische Provinzen zurückverfolgt worden, wo die nächsten Verwandten des Virus bei Fledermäusen festgestellt worden seien. Dies sei ein Anhaltspunkt für den Übertragungsweg von Wildtieren auf Nutztiere oder direkt auf Menschen.
Das Expertenteam schloss auch eine Übertragung des Virus auf den Menschen über Tiefkühlfleisch nicht aus. Der Import des Erregers aus Nachbarprovinzen bleibe eine „sehr stichhaltige Option“, erklärte die an der WHO-Mission beteiligte niederländische Virologin Marion Koopmans. Die These vom TK-Fleisch als Infektionsquelle wird von der chinesischen Regierung präferiert, die WHO hatte diesen Erklärungsansatz vor der Wuhan-Mission als unwahrscheinlich bezeichnet.
Die unter anderem vom früheren US-Präsidenten Donald Trump geäußerte Vermutung, das Virus sei aus dem Institut für Virologie in Wuhan entwichen, bezeichnete Koopmans bei der Pressekonferenz mit ihren chinesischen Kollegen als „die am wenigsten wahrscheinliche auf der Liste unserer Hypothesen“. Nach der Rückkehr der Experten versicherte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus allerdings, alle Hypothesen blieben auf dem Tisch. Zugleich versprach er Transparenz bei dem Bericht.
Die USA haben immer wieder die Befürchtung geäußert, der WHO-Bericht könne nicht alle Erkenntnisse und Hinweise offenlegen. Die bis Januar amtierende Trump-Regierung warf der WHO gar vor, eine Marionette Chinas zu sein. Peking hebt hingegen hervor, dass die WHO-Mission in Wuhan nur dank Chinas wissenschaftlicher Zusammenarbeit möglich gewesen sei.
Die Regierung von Trumps Nachfolger Joe Biden pflegt zwar deutlich bessere Beziehungen zur WHO, äußerte aber ihrerseits Zweifel an der Transparenz des Berichts und forderte von China mehr Informationen. Dass die WHO ihren ursprünglichen Plan aufgab, zunächst eine Zusammenfassung des Berichts ohne die zugrundeliegenden Daten zu veröffentlichen und erst später die Langfassung, verbuchten die USA als Teilerfolg.
Doch Zweifel an der Vollständigkeit und Transparenz des WHO-Berichts bleiben. So beklagte sich der Leiter der Wuhan-Mission, Peter Embarek, ein paar Tage nach seiner Rückkehr über mangelnden Zugang zu Rohdaten in China. Und der EU-Botschafter bei der UNO in Genf, Walter Stevens, forderte, der Bericht müsse „vollständig transparent“ sein und alle Fragen beantworten, „die wir haben“.