Die relativ positive Entwicklung der Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr ist stark durch Sondereffekte geprägt gewesen, insbesondere die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Dies betrifft unterschiedliche Wirtschaftsbereiche, besonders aber den Verkehrssektor, wie der Expertenrat für Klimafragen am Donnerstag als Ergebnis seiner Überprüfung der im März vom Umweltbundesamt (UBA) vorgelegten Emissionsdaten feststellte. Für die Zukunft sind demnach zudem die sich abzeichnenden schärferen EU-Emissionsziele zu berücksichtigen.
Formal bestätigte der Expertenrat die Analyse des UBA, wonach in allen Wirtschaftssektoren außer dem Gebäudesektor die Emissionsvorgaben des Klimaschutzgesetzes eingehalten wurden. Für den Gebäudebereich müssen daher nun die Ministerien für Inneres und Wirtschaft bis zum 15. Juli ein Sofortprogramm für weitere CO2-Minderungen vorlegen. Zwar sei hier als einzigem Sektor von höheren Emissionen wegen der Corona-Pandemie auszugehen. Gleichwohl bestehe aber Handlungsbedarf, da sonst auch unabhängig von Sondereffekten 2021 die Zielvorgaben erneut verfehlt werden dürften.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte dazu in Berlin: „Wir sind noch nicht am Ziel, aber die richtigen Weichen sind gestellt.“ Seehofer wies darauf hin, dass bereits viele Maßnahmen zur Emissionsminderung eingeleitet worden seien, die „erst jetzt ihre Wirkung entfalten“ würden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte den Minister jedoch zu einem raschen Kurswechsel auf. Vor allem müssten die Effizienzanforderungen bei Neubauten und Sanierungen verschärft werden, verlangte die DUH-Expertin Barbara Metz.
Aufgabe des Expertenrats ist es, die vom UBA vorgelegten Emissionsdaten hinsichtlich der Einhaltung der Sektorziele des Klimaschutzgesetzes zu prüfen. Es gebe keine Anhaltspunkte, diese Ergebnisse anzuzweifeln, sagte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. Allerdings seien die Zahlen wegen der begrenzten Datenlage mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Henning mahnte hier für die Zukunft Nachbesserungen an, „um die Datengüte zu verbessern“ – auch durch eine Einbeziehung direkter Messungen von Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre.
Die vom UBA vorgelegten Emissionsdaten seien „nur eine Momentaufnahme“, sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende Brigitte Knopf. So gehe der Expertenrat davon aus, dass etwa zwei Drittel der für 2020 im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten Emissionsminderung um 8,7 Prozent auf Sondereffekte wie den Einbruch der Wirtschaftsleistung im Corona-Jahr 2020 zurückzuführen sei. Ohne diese Effekte hätte die Minderung demnach nur etwa drei Prozent betragen. Im Verkehrssektor wäre demnach ohne die Einschränkungen in den Lockdown-Zeiten die gesetzliche Emissionsvorgabe voraussichtlich um zehn Prozent überschritten worden.
Knopf verwies zudem auf die laufenden Beratungen auf EU-Ebene über eine Verschärfung des europäischen Emissionsziels für 2030 von minus 40 Prozent auf mindestens minus 55 Prozent. Für Deutschland ergebe sich daraus, dass sich die Zielvorgabe für 2030 von der bisher anvisierten Minderung um 55 Prozent auf minus 62 bis 68 Prozent verschärfen dürfte. Dies solle frühzeitig mit berücksichtigt werden, mahnte Henning, auch um für Unternehmen mehr Planungssicherheit zu schaffen. Voraussichtlich müssten die deutschen Emissionsziele „substanziell“ angepasst werden, heißt es im Bericht des Expertenrats.
Der Umweltverband WWF verlangte als sofortige Konsequenz einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien sowie einen „Mobilitätswendeplan“ für den Verkehrsbereich. Die Grünen-Klimaexpertin Lisa Badum drang zudem auf den Abschied von Pkw mit Verbrennungsmotoren und mehr Anstrengungen für „klimaneutrales Heizen für alle“. Eine „Klimaschmutz-Bremse“ im Grundgesetz forderte der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin.