Internationale Wissenschaftler haben in einer Stellungnahme die Bedeutung des Lüftens im Kampf gegen die Corona-Pandemie hervorgehoben. Die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken, sei viel höher beim Einatmen des Virus auf kurze Distanz als durch den Kontakt mit verunreinigten Oberflächen oder einen Kontakt auf große Distanz, schrieben internationale Experten in einem Kommentar, der am Donnerstag im medizinischen Fachblatt „BMJ“ veröffentlicht wurde.
Dennoch finde die Rolle der Corona-Übertragung durch Aerosole, also kleinste Partikel in der Luft, „in manchen Leitlinien zur Infektionseindämmung nur eine oberflächliche Erwähnung“, kritisierten die Experten, zu denen Julian Tang von der britischen University of Leicester und Linsey Marr von der US-Hochschule Virginia Tech gehören. Es müsse jedoch klar sein, dass das Infektionsrisiko viel größer sei „in einem Raum mit einem Fenster, das nicht geöffnet werden kann, oder ohne jegliches Belüftungssystem“.
Teil des Problems sei mangelnde Klarheit bei der Definition der Covid-19-Übertragungswege, kritisierten die Studienautoren und formulierten folgende Orientierungshilfe: „Im Wesentlich ist es so, dass wenn man Partikel – unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Namen – einatmen kann, man Aerosole einatmet.“ Diese Aerosole, die Coronaviren enthalten können, seien „viel konzentrierter auf kurze Distanz“.
Die Autoren des Kommentars führten aus, das Tragen von Masken, Abstandhalten und Kontaktbeschränkungen in Innenräumen seien zwar hilfreich bei der Eindämmung der Corona-Pandemie. Es sei aber nötig, zusätzlich mehr auf die Belüftung von Innenräumen zu achten, „weil die winzigsten in der Luft hängenden Partikel stundenlang in der Luft bleiben können, und das stellt einen bedeutenden Übertragungsweg dar“.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte im März einen Leitfaden veröffentlicht, in dem sie zum Lüften zur Eindämmung der Corona-Pandemie aufrief. Die Deutsche Gesellschaft für Aerosolforschung hatte am Wochenende in einem offenen Brief an Bund und Länder eine irreführende Schwerpunktsetzung in der Kommunikation über Maßnahmen zur Corona-Eindämmung bemängelt. Erfolgreiche Strategien müssten primär in geschlossenen Räumen wie Wohnungen, Büros, Schulklassen und Wohnanlagen ansetzen, erklärten sie.