Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent gestiegen. Im Dezember 2020 gab es rund 14.000 mehr Leistungsberechtigte als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Insgesamt bezogen etwa 1,1 Millionen Menschen die Grundsicherung, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten konnten.
Etwas mehr als die Hälfte der Berechtigten erhielt die Grundsicherung im Alter: 51,3 Prozent der Sozialhilfe-Empfänger erreichten oder überschritten im Dezember die Altersgrenze. Für vor dem Jahr 1947 Geborene lag diese bei 65 Jahren. Für die nach 1947 geborenen Jahrgänge, für die die Altersgrenze schrittweise auf 67 angehoben wird, lag sie im Dezember bei 65 Jahren und 9 Monaten.
Knapp 49 Prozent der Empfänger von Grundsicherung waren laut Statistikamt im Alter von 18 Jahren bis unter die Altersgrenze und erhielten die Sozialleistung wegen einer dauerhaft vollen Erwerbsminderung. Das betrifft diejenigen, die wegen einer Krankheit oder einer Behinderung keine drei Stunden pro Tag arbeiten können.
„Wir sind besorgt, dass immer mehr Rentnerinnen und Rentner auf Grundsicherung angewiesen sind“, erklärte dazu der Sozialverband VdK, zumal die Dunkelziffer weit höher sein dürfte, als es die Statistik ausweise. „Mindestens 60 Prozent der Rentnerinnen und Rentner, die einen Anspruch auf Grundsicherung haben, stellen aber gar keinen Antrag“, teilte der VdK dazu mit.
„Statt den Bedürftigen bürokratische Steine in den Weg zu legen, müssen wir die Hindernisse beseitigen“, forderte Verbandspräsidentin Verena Bentele. In der Corona-Zeit eingeführte Erleichterungen wie der Verzicht auf eine Vermögensprüfung sollten dauerhaft beibehalten werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass Rentnerinnen oder Rentner „Angst haben, ihr kleines Häuschen zu verlieren“, und deswegen auf Ansprüche verzichteten.
Der Linken-Sozialexperte Matthias Birkwald forderte eine solidarische Mindestrente von 1200 Euro. Er kritisierte, dass für Menschen außerhalb von Einrichtungen der durchschnittliche anerkannte Grundsicherungsbedarf Ende 2020 „nur bei mageren 835 Euro für Menschen ab 65 Jahren“ gelegen habe. Dieser Betrag liege 341 Euro unter der Armutsgrenze der Europäischen Union des Jahres 2019. Notwendig seien daher „neue Zahlbeträge und angemessene Berechnungsmethoden“.
Gegen höhere Zahlungen bei Hartz-IV und Grundsicherung wandte sich dagegen der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele. Man dürfe nicht diejenigen überfordern, die für die Grundsicherung aufkommen, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Dazu gehört ja auch die Kassiererin bei Aldi, die möglicherweise netto nicht viel mehr hat als der Empfänger von Grundsicherung.“
Scheele wandte sich damit gegen Forderungen eines breiten Bündnisses von Sozialverbänden und Gewerkschaften, den Hartz-IV-Regelsatz von derzeit 446 Euro auf 600 Euro anzuheben. „Ich bezweifle, dass jemand mit 600 Euro deutlich zufriedener wäre“, sagte dazu der BA-Chef. „Wer sorgenlos leben möchte, der muss sich berappeln und möglichst gut entlohnte Arbeit finden“, fügte er hinzu.